Fall Mollath:Justizministerin plant Strafrechtsreform
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Eine Bagatelle reicht manchmal aus, um in der Psychiatrie zu landen. Eine zeitliche Begrenzung dafür gibt es nicht. Nun will Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Kriterien für die Einweisung und für die Kontrolle verschärfen. Der Grund: Die wachsenden Zweifel im Fall des Gustl Mollath.
Von Heribert Prantl
Der Fall Mollath bewegt die deutsche Rechtspolitik. Das Bundesministerium der Justiz hat Vorschläge zur Reform des Rechts der "Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus" vorgelegt. Das Ministerium reagiert damit erstens auf den Fall des Gustl Mollath, der von der bayerischen Justiz vor sieben Jahren in die Psychiatrie eingewiesen und trotz wachsender Zweifel an der Sorgfalt dieser Einweisung bisher nicht entlassen wurde. Es reagiert zweitens darauf, dass die Zahl der in der Psychiatrie untergebrachten Straftäter "ständig" steige. Angesichts "der Tiefe des Eingriffs in die Freiheit" sei die Reform dringend erforderlich, heißt es in einem Reformpapier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Im psychiatrischen Krankenhaus können Straftäter schon wegen einer geringfügigen Straftat - der sogenannten Anlasstat - untergebracht werden, wenn sie die Tat in einem länger dauernden, krankhaften psychischen Zustand begangen haben - und wenn infolgedessen erhebliche Straftaten zu erwarten sind. Anlasstat kann auch eine Bagatelle sein, etwa ein Hausfriedensbruch; die zu erwartenden Straftaten müssen massiver sein. Eine zeitliche Begrenzung für die Unterbringung gibt es bisher nicht.
Die von Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angeregte Reform will die Unterbringung in der Psychiatrie künftig auf gravierende Fälle beschränken, wobei es allerdings dabei bleiben soll, dass die Anlasstat auch eine Geringfügigkeit sein kann.
Es sollen die Dauer der Unterbringung begrenzt, die Überprüfungsfristen verkürzt und die Anforderungen an die Gutachten der Experten erhöht werden. Zum ersten Mal soll die Unterbringung künftig nach vier Monaten überprüft werden - statt wie derzeit erst nach einem Jahr. Danach soll eine weitere Prüfung nach acht Monaten und einem Jahr folgen.
Mit diesen gestaffelten Fristen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass man schon wegen einer Bagatelltat in die Psychiatrie eingewiesen werden kann. Je länger die Unterbringung dauert, desto enger sollen künftig die Voraussetzungen sein, unter denen sie fortgeführt werden darf.
In der Regel soll die Unterbringung nach Ablauf von vier Jahren für erledigt erklärt werden, außer es besteht die Gefahr erheblicher Straftaten, durch die "Opfer seelisch oder körperlich geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird". Wenn die Unterbringung deswegen die Dauer von sechs Jahren erreicht hat, müssen Gutachten von zwei externen Sachverständigen eingeholt werden - um dem Richter für seine Entscheidung eine möglichst umfassende Entscheidungsgrundlage zu geben.
Die Reform will der Gefahr begegnen, dass alte Gutachten nur fortgeschrieben werden. Deshalb wird der Einsatz von externen Sachverständigen (von solchen also, die bisher mit der Behandlung des Patienten nicht befasst waren) schon nach jeweils zwei (bisher fünf) Jahren Pflicht. Das Problem: Es gibt viel zu wenige qualifizierte Gutachter. Das Justizministerium fordert daher die Länder auf, für deren Ausbildung "Sorge zu tragen". Der Satz "in der Praxis stehen keine geeigneten Gutachter zur Verfügung" sei im Rechtsstaat nicht tolerabel.