Süddeutsche Zeitung

Fall Georg Schmid:Ein Prozess der Aufklärung

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Georg Schmid hat alles verloren: Macht, Ansehen, Annehmlichkeiten. Man hat Mitleid mit ihm, weil er auch ohne Prozess genug gestraft ist. Trotzdem ist es wichtig, dass das Verfahren stattfindet: Denn sein Fall ist nur der Höhepunkt einer viel größeren Affäre.

Von Frank Müller

Erst an diesem Montag beginnt das Verfahren gegen Georg Schmid, aber die wirkliche Strafe steht schon lange fest. Es ist das schlimmste Urteil für einen Politiker seines Typs: alles verloren, Macht, Ansehen, Annehmlichkeiten. Der Sturz des früheren mächtigen CSU-Fraktionschefs im Landtag buchstäblich ins Nichts ist fraglos grausam. Für Georg Schmid, der niemandem persönlich etwas angetan hat, sondern wohl nur ein System zu oberschlau ausnutzte, könnte es selbst durch ein hartes Gerichtsurteil nicht mehr sehr viel schlimmer kommen. Er gehört zu den Menschen, mit denen man Mitleid hat, weil sie auch so gestraft genug sind.

Wäre es also besser, wenn es den Prozess gar nicht mehr geben würde? Nein, und das nicht nur, weil der Rechtsstaat sich eben seinen Weg bahnt. Der Fall Schmid muss auch deswegen minutiös aufgeklärt werden, weil er der Höhepunkt einer viel größeren Affäre war. Und in der wurde so vieles nicht richtig geklärt, weil diejenigen, die das hätten leisten müssen, daran nicht interessiert waren und sind.

Groß ist das Spektrum der Verfehlungen

Diejenigen - das sind, verallgemeinernd gesagt, Bayerns Parlamentarier und die Regierung. Sie waren im großen Stil in die bayerische Verwandtenaffäre verstrickt, manche fahrlässig, manche mit Absicht. Groß ist auch das Spektrum ihrer Verfehlungen. Es reichte von der aufgebauschten Lappalie bis zum wirklich untragbaren Skandal. Der eine beschäftigte die Ehefrau im Abgeordneten-Sekretariat zu eher selbstausbeuterischen Bedingungen. Der andere griff hemmungslos zu und nahm mit, was ging.

Dutzende Abgeordnete und ein halbes Dutzend aktiver Regierungsmitglieder schlugen so jeder auf seine Art über die Stränge. Was es aber nicht gab: eine umfassende und ehrliche Aufarbeitung. Es gab viele Details in den Zeitungen. Aber schon bei der Frage, wie die betroffenen Kabinettsmitglieder ihre Frauen bezahlten, musste sich die Staatsregierung erst vom Verfassungsgerichtshof zu Antworten zwingen lassen. Zu mehr Aufklärung fanden Landtag und Regierung weder Kraft noch Mut - auch deswegen ist der Prozess gegen Schmid wichtig.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2015
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