Süddeutsche Zeitung

Start der G-9-Klassen:"Langsam wird es peinlich"

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Von Tina Baier, München

Seit Wochen warten die Schulleiter der bayerischen Gymnasien vergeblich auf Informationen, wie und wo sie sich für die Einführung von G-9-Klassen im kommenden Schuljahr bewerben können. In den nächsten Tagen würden alle Gymnasien von den für sie zuständigen Ministerialbeauftragten verständigt, hatte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) versprochen. Das war am 9. Dezember, ist jetzt also bereits einen Monat her.

"Langsam wird es peinlich", sagt Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands und Schulleiter des Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf. Die Zeit drängt, denn schon im Februar sollen die Schulen feststehen, die in den kommenden zwei Jahren die Mittelstufe plus erproben dürfen. An den ausgewählten Gymnasien können Schüler den Stoff der achten, neunten und zehnten Klasse dann in vier statt wie jetzt im G 8 in drei Jahren lernen.

Aufwändige Vorbereitung

Für ihre Bewerbung müssen die Schulleiter die Zustimmung der Eltern und des Sachaufwandsträgers einholen. Das kann unter Umständen dauern, etwa wenn Städte oder Kommunen erst noch prüfen wollen, welche Kosten durch die G-9-Klassen auf sie zukommen. "Für manche Schulen könnte es für eine Bewerbung jetzt schon zu spät sein", sagt Meidinger. Trotz der vielen Unklarheiten ist das Interesse sehr groß, an dem Pilotprojekt teilzunehmen. Mehr als 50 Gymnasien haben sich beim Kultusministerium bereits blind beworben. Nur 30 bis 40 bekommen nach Aussage von Spaenle den Zuschlag. Auswahlkriterium sei unter anderem, dass möglichst alle Typen von Gymnasien vertreten sein sollen, also etwa ländliche und städtische, große und kleine Schulen.

Karl-Heinz Bruckner, Vorsitzender der Bayerischen Direktoren und Leiter des Neuen Gymnasiums in Nürnberg, hat vorsorglich schon einmal das Placet der Eltern eingeholt. "Wenn die Unterlagen kommen, geht am nächsten Tag die Bewerbung weg", sagt er. Auch Peter Brendel, Vorsitzender der niederbayerischen Direktoren und Leiter des Gymnasiums Pfarrkirchen, hat das Thema bereits mit dem Schulforum, in dem Vertreter von Eltern, Schülern und Lehrern sitzen, besprochen. "Das Interesse an der Mittelstufe plus ist sehr groß", sagt er. Beworben hat er sich aber noch nicht: "Wir wissen ja noch nicht einmal, bei wem wir uns bewerben sollen."

Am Gymnasium Pfarrkirchen befürworten viele Eltern, Schüler und Lehrer die Einführung von G-9-Klassen auch deshalb, weil dadurch der Nachmittagsunterricht in der Mittelstufe wegfallen könnte. Der ist für die Gymnasiasten in Pfarrkirchen besonders belastend, weil die Busverbindungen so schlecht sind. "Bei und fährt nachmittags nur ein einziger Bus um viertel nach Vier", sagt Brendel. Das bedeutet, dass er den gesamten Nachmittagsunterricht auf einen einzigen Tag legen muss, weil die Schüler früher gar nicht nach Hause kämen. Viele Schüler empfinden diesen "Power-Nachmittag" als extrem belastend; Brendel kennt Eltern, die ihre Kinder trotz ausgezeichneter Noten auf die Realschule geschickt haben, weil sie ihren Kindern das nicht zumuten wollen.

Keine Post aus dem Ministerium

Auch am Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß sind die Eltern nach Aussage von Schulleiter Stefan Düll "positiv gestimmt" was die Mittelstufe plus angeht. Düll, der Bezirksvorsitzender der schwäbischen Philologen ist, fragt sich, warum nur so wenige Schulen die Mittelstufe plus erproben dürfen und nicht gleich alle, die Interesse haben.

"Wir starten in diesen Tagen das regionalisierte Auswahlverfahren", sagt Kultusminister Spaenle. Ein Schreiben aus dem Ministerium werde es nicht geben. Er überlasse es den Ministerialbeauftragten, wie sie die Gymnasien in ihrem Zuständigkeitsbereich informieren. Die Ministerialbeauftragten sollen auch eine Vorauswahl unter denjenigen Schulen treffen, die Interesse haben. Die endgültige Entscheidung liege aber beim Kultusministerium. Spaenle sagt, er habe kein Problem damit, wenn an einer Schule nicht nur eine Plus-Klasse zustande käme sondern mehrere. Auch, dass der Nachmittagsunterricht wegfällt, kann Spaenle sich vorstellen. Allerdings müssten die Schulen mit dem jetzigen Budget und vier zusätzlichen Stunden pro Woche für die Organisation zurechtkommen. Mehr gebe es nicht.

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SZ vom 09.01.2015
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