Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:War Bertolt Brecht ein Schnallentreiber?

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Das derbe Wort Schnallentreiber steht landläufig für einen Zuhälter. In einer weiteren Bedeutung gilt die Bezeichnung aber auch für Männer, die als Frauenhelden und Weiberer berüchtigt sind.

Schnallentreiber

Vor 125 Jahren kam der Dramatiker Bertolt Brecht auf die Welt. So bedeutend sein Werk auch sein mag, früher hat es ganze Schülergenerationen genervt, mit Brechts Lehrstücken getriezt zu werden. Außerdem hatte es sich herumgesprochen, dass Brecht ein großmäuliger Frauenheld war, der nicht nur viele Liebschaften pflegte, sondern seine Geliebten und ihre Fähigkeiten auch für seine Zwecke ausbeutete.

Offen bleibt die Frage, warum sich diese Frauen ausnützen ließen. Die meisten waren zwar klug, aber dem dichtenden Macho geradezu hörig. Einzig Marieluise Fleißer rechnete später in einer Erzählung mit ihm ab. Männer wie Brecht werden am Stammtisch Weiberer genannt, und manchmal fällt auch der Begriff Schnallentreiber (Schnointreiber). Das ist eigentlich ein Synonym für einen Zuhälter, der Schnallen (Schnoina, Prostituierte) für sich arbeiten lässt.

In einer weiteren Bedeutung gelten aber auch jene Männer, die sich mit vielen Frauen einlassen und dabei ihre moralische Integrität verlieren, als Schnallentreiber. Viele berühmte Schriftsteller gerieten neben Brecht in den Ruf eines Weiberers und Schnallentreibers: Sartre, Remarque, Benn, Kästner, um nur einige zu nennen. Angesichts der rigiden Maßstäbe heutiger Moralität kommen sie aus dieser Nummer nicht mehr heraus.

zeidig

Am kommenden Samstag wird im französischen Méribel die Weltmeisterin im Slalomlauf der Frauen ermittelt. Zu den Favoritinnen zählt die Münchnerin Lena Dürr, die viele Jahre brauchte, um in die Weltspitze vorzurücken. Eine frühere Rennläuferin sagte neulich: "Jetzt ist sie zeidig, die Lena."

Auch ein Apfel braucht eine gewisse Zeit, bis er zeidig ist, bis er also seine volle Reife entfaltet. Eine Elterngruppe diskutierte kürzlich darüber, wann Kinder in die Schule geschickt werden sollten, schon mit fünf, oder doch erst mit sechs Jahren. Es gibt viele Kinder, die mit fünf Jahren noch nicht zeidig sind. Das macht aber nichts. Sie brauchen halt ein bisserl länger, bis sie reif für die Schule sind.

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