Süddeutsche Zeitung

CSU:Horst Seehofer - Bayerns Väterchen Frost

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Auf der Weihnachtsfeier der CSU-Fraktion ging es um allerhand wichtige Themen und nicht zuletzt um die Frage: Warum ist der Chef nicht da?

Von Wolfgang Wittl, München

Man weiß ja nie genau, was passiert, wenn die CSU zu einer vorweihnachtlichen Feier zusammenkommt. Das Treffen der Fraktion am Mittwoch jedenfalls soll recht gemütlich verlaufen sein. Bei Rinderfilet und Nugatmousse wurde erst gediegen gespeist. Später sollen einige Anwesende dann erfolgreich getestet haben, dass es sich im Senatssaal des Landtags wirklich bis tief in die Nacht gut aushalten lässt.

Wie Seehofer seine Abwesenheit begründete

Die Gespräche drehten sich naturgemäß um derzeit wichtige politische Themen: um Flüchtlinge, um die dritte Startbahn am Münchner Flughafen und um die im Januar bevorstehende Klausurtagung in Kreuth. Und nicht zuletzt um die Frage: Wo denn der Chef an diesem Abend stecke?

Horst Seehofer hat bereits Tage vorher wohlweislich darauf verwiesen, dass er einen unaufschiebbaren Termin wahrzunehmen habe: Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich, die sich auf der Zielgeraden befinden. Er ahne, was in seine Abwesenheit hineininterpretiert werde: Er, der Parteivorsitzende und Ministerpräsident, der beleidigt ist, weil ihn die Fraktion bei der dritten Startbahn gestoppt habe. Für Seehofer alles Quatsch. Natürlich wäre er gerne zur Fraktion gegangen, sagte er, aber er müsse halt auch in Berlin Politik machen.

Spekulationen über den vermeintlich wahren Grund seines Fehlens vermochte Seehofer mit dieser Vorausschau allerdings nicht zu verhindern. Wie am Mittwoch über den Mann gesprochen wurde, der überhaupt nicht da war, sagt einiges über das derzeit abgekühlte Verhältnis von Fraktion und Parteichef aus.

Wie Abgeordnete das Fehlen bewerten

Mancher CSU-Abgeordnete sah in Seehofers Fehlen nur die Fortsetzung der vergangenen Tage, als er zwei Fraktionssitzungen ferngeblieben war. Sich rar zu machen, sei Seehofers Methode, jemandem die kalte Schulter zu zeigen, sagte einer. Ein anderer hätte sich gewünscht, dass Seehofer einfach Berlin Berlin sein lasse und einen Schritt auf die Fraktion zugehe.

Wieder andere registrierten, dass Seehofer im Plenum zwar ausführlich mit Journalisten sprach, nicht aber mit den eigenen Leuten. Es ist wieder einmal eine Phase in der CSU angebrochen, in der jede Geste, jedes Wort besonders argwöhnisch bewertet wird.

Mit Fraktionschef Thomas Kreuzer hat Seehofer gesprochen. Aber das offenbar auf eine Weise, die nicht jedem gefiel. Kreuzer hat sein Programm für die Klausur in Kreuth präsentiert, es handelt von einem modernen, effizienten Staat, illustre Gäste sind etwa Kanzlerin Angela Merkel und der Münchner Kardinal Reinhard Marx. Doch Seehofer habe Kreuzer auf brüske Weise spüren lassen, dass er sich mehr erwartet habe, berichten Zeugen. Der Chef auf Kriegspfad gegen die Fraktion? Oder umgekehrt?

Verschwörungstheoretiker gebe es immer, sagt CSU-Fraktionssprecher Franz Stangl. Die Mehrzahl der Abgeordneten pflege ein völlig unaufgeregtes Verhältnis zu Seehofer. Auch jetzt. Zudem habe Seehofer zugesagt, die letzte Sitzung vor Weihnachten zu besuchen. Die Rede am Mittwoch hielt an seiner Stelle Ilse Aigner. Sie sprach von einer schwierigen Zeit, in der alle lebten. Sie meinte wohl auch die CSU.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2015
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