Süddeutsche Zeitung

Personaldebatte in der CSU:Übertreibt Söder es?

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Von Wolfgang Wittl, München

Es sind allerlei Vorzüge, die Markus Söder zu seinem neuen stellvertretenden Generalsekretär einfallen. Für Florian Hahn spreche sein Wirkungsfeld in Berlin. Er sei ein versierter Organisator und Wahlkämpfer mit einer Nähe zu München, was mit Blick auf das (steigerungsfähige) Abschneiden der CSU in der Landeshauptstadt kein Schaden sein müsse. Und dann verfüge Hahn ja noch über ein außenpolitisches Profil, das die Partei ohnehin dringend schärfen will. Nur eines sagt Söder nicht: Dass der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn, 44, aus dem Landkreis München einer seiner engsten Vertrauten ist, auf den er sich seit Ewigkeiten blind verlassen kann. Regiert in der CSU nun ausschließlich das System Söder?

Es war nach seiner ersten Vorstandssitzung als CSU-Chef, als Söder Hahn lobte. Hahn war die vorerst letzte Personalie, die Söder als Ministerpräsident und Parteivorsitzender festgezurrt hat. Auf dem Höhepunkt des Machtkampfs zwischen Horst Seehofer und Söder zählte Hahn zu jenen acht CSU-Kreisvorsitzenden, die in einem Brief offen Seehofers Rückzug forderten - mitten in dessen Heimatbezirk Oberbayern. Zu Söders Zeiten als Chef der bayerischen Jungen Union diente ihm Hahn jahrelang als Landesgeschäftsführer. Als Söder noch nicht Parteichef war, saß er in den Sitzungen des CSU-Vorstands meistens in den hinteren Reihen neben Hahn und beide steckten die Köpfe zusammen.

Für Hahn musste sogar eine Frau weichen, obwohl Söder die Partei weiblicher machen will. Die bisherige Vize-Generalsekretärin Daniela Ludwig verlor ihr Amt nach nicht mal elf Monaten. "Im Einvernehmen", wie Söder sagte. Von Ludwig war derlei nicht zu hören. Dass ihr eine große Nähe zu Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nachgesagt wird, dürfte Söders Entschluss zur Trennung erleichtert haben. Söder sei jemand, der seine Auswahl nach Loyalitäten treffe, sagt ein CSU-Mann. So mancher fragt sich jetzt allerdings: Übertreibt er es?

Es ist weder ungewöhnlich noch verwerflich, dass Führungskräfte wichtige Ämter mit ihren Vertrauten besetzen. Das ist in Konzernen so, die einen frischen Vorstandschef bekommen. Bundesligatrainer bringen ihren ganzen Stab zum neuen Verein mit. Sogar der Papst prägt mit seinen Personalentscheidungen den Kurs der Kirche; wer von ihm zum Kardinal berufen wird, entscheidet über den nächsten katholischen Oberhirten. Dem italienischen Staatsphilosophen Niccolò Machiavelli wird das Zitat zugeschrieben, Wohltaten sollten sukzessive über eine lange Strecke verteilt werden, so blieben sie besser im Gedächtnis. Grausamkeiten hingegen müsse man am Anfang und auf einmal begehen, dann fielen sie nicht so ins Gewicht. Auch CSU-Chefs und Ministerpräsidenten vor Söder haben sich mit Getreuen umgeben. Das wird nach ihm nicht anders sein. Doch kaum einer hat so schnell und kompromisslos gehandelt. Entscheidungsfreude zählt zu Söders auffälligsten Eigenschaften, mit dem Streben nach Geduld belastet er sich eher selten.

Etliche Gesichter aus der Ära Seehofer mussten sich schon aus der ersten Reihe verabschieden. Langjährige Kabinettsmitglieder wie Marcel Huber, Ulrike Scharf, Franz Pschierer und Beate Merk wurden nicht mehr berücksichtigt, in der Parteizentrale gingen der Hauptgeschäftsführer und der Sprecher. Nur drei Minister aus der Regierungszeit Seehofers sitzen heute noch in Söders Kabinett: Joachim Herrmann, der vermutlich schon unter Graf Montgelas bayerischer Innenminister war, Gesundheitsministerin Melanie Huml - und der Ministerpräsident selbst.

Die CSU sei wie eine Wiese, in der sich die Blumen nach der Sonne ausrichten, sagte ein früherer Parteichef. Wer in Söder immer schon die Sonne sah, dessen Karriere durfte sich über einen plötzlichen Wachstumsschub freuen. Frühe Unterstützer wie Florian Herrmann (Staatskanzleichef), Albert Füracker (Finanzminister) und Michaela Kaniber (Landwirtschaftsministerin) gelangten rasch in Schlüsselpositionen. Ihre Beförderung dient für Söder auch der Absicherung eigener Macht. Dass die Personalwechsel in der Partei bislang kritiklos akzeptiert werden, hat aber vor allem damit zu tun, dass die Aufsteiger ihre neue Posten durch Leistung rechtfertigen. Bei Söder müsse alles gedeckt sein "durch Einsatz, Fleiß und Können", sagt jemand, der ihn lange kennt. Söder achte genau auf Stärken und Schwächen, habe einen Blick für Talent und Kompetenz.

Wenn das der Maßstab ist, so muss Söder mit anderen, die seinen Aufstieg maßgeblich mitbegleitet haben, weniger zufrieden gewesen sein. Bildungsminister Ludwig Spaenle, der Taufpate von Söders Sohn, wurde schon bei der ersten Regierungsbildung übersehen. Auch Georg Eisenreich, ein weiterer Gefolgsmann aus München, gehört offenbar nicht mehr dem innersten Zirkel an. Er wurde aus der Schaltzentrale Staatskanzlei ins Justizministerium versetzt. Söder wisse, dass er jetzt in letzter Verantwortung stehe, sagen seine Leute. Dem ordne er alles unter.

Deshalb hat Söder auch Mitarbeiter behalten, die zu Seehofers engem Kreis zählten: Karolina Gernbauer etwa, die höchste Beamtin in der Staatskanzlei, Regierungssprecher Rainer Riedl, Generalsekretär Markus Blume. Bei der neuen CSU-Hauptgeschäftsführerin Carolin Schumacher wird angemerkt, dass sie eine enge Mitarbeiterin von Söders Rivalin Christine Haderthauer gewesen sei. All die Beispiele sollen Söders Unvoreingenommenheit belegen und seine Glaubwürdigkeit stärken.

So sei das eben, sagt einer, der viel erlebt hat in der CSU. Die Partei habe ein neues Kraftzentrum, Personalwechsel seien völlig normal. Ungewöhnlich sei allein die Geschwindigkeit, mit der Söder die Operation vorgenommen habe. "Schlimm wäre es nur, wenn er Nieten berufen würde. Aber bis jetzt ist keine Niete dabei."

Florian Hahn gilt vielen in der Partei sogar als Verstärkung. Analyse- und Durchsetzungskraft wird ihm bescheinigt. Als ehemaliger Mitarbeiter in der Parteizentrale kenne er die internen Strukturen genau. Mit seiner robusten Art bilde Hahn die ideale Ergänzung zu Generalsekretär Blume. Dass er außerdem einen kantigen Brückenkopf in der Berliner Landesgruppe und in der oberbayerischen CSU abgibt - zwei Feldern, auf denen der Rückhalt für Söder noch ausbaufähig ist -, dürfte ein willkommener Nebeneffekt sein.

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Quelle:
SZ vom 11.02.2019
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