Süddeutsche Zeitung

CSU:Ich, Horst

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CSU-Ministerpräsident Seehofer ist der festen Überzeugung, dass Bayern nur bei einem in guten Händen ist. Bei ihm selbst.

Analyse von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Horst Seehofer erzählt in diesen Tagen auffällig viel von früher. Er ist der Sohn eines Lastwagenfahrers, in Ingolstadt hätte man damals gesagt: von der falschen Seite der Donau. Er erzählt also von Arbeitslosigkeit, von der er wisse, was sie bedeute. Und wie er als Bub seine Lohntüte ablieferte, damit die Familie über die Runden komme.

Auch Machtmenschen lassen sich gelegentlich von ihren Gefühlen mitreißen, selten aber so willig wie Seehofer an einem kühlen Februarmorgen in der Oberpfalz. Er spricht auf dem Berchinger Rossmarkt, einem Volksfest, auf dem Menschen Schmalzgebäck und Geräuchertes mitnehmen und - wenn der Redner Glück hat - ein paar Wortfetzen Politik.

Man müsse seine Emotionen verstehen, ruft Seehofer in die Menge: "Ich war bettelarm - und stehe jetzt an der Spitze des Freistaats. Das war mir nicht in die Wiege gelegt." Nie sei er der geliebte Kandidat gewesen, nirgends mit offenen Armen empfangen worden. Und doch bringe er es schon auf neun Jahre als Ministerpräsident. "Mein Amt macht mir Freude, es ist das schönste auf der Welt."

Ist das als melancholische Anwandlung zu deuten, als selbstergriffene Bilanz kurz vor dem Abschied? Oder doch als Hinweis, dass er nach seinem langen Aufstieg aus den Niederungen des falschen Donau-Ufers den Moment auf dem Gipfel noch etwa länger auskosten will?

Noch im Januar 2015 hat Seehofer recht bestimmt erklärt: "Was meine Person angeht, bleibt es dabei: Ich werde bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr kandidieren." Seitdem hat er in Halbsätzen und manchmal sogar in ganzen Sätzen nahegelegt, dass, was seine Person angeht, sich vielleicht doch noch was ändert. Wenn man ihn fragt, warum das so sei, hört man einen Vortrag über eine Welt aus den Fugen, über Brexit, Erdoğan und Trump. Und auch über Verantwortung und Pflichten.

Seehofer ist bekannt als jemand, der seiner Macht gern beim Wirken zusieht. Im Großen wie im Kleinen. Er hat nun - seit er 2013 die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl errang - das ganze Land unterhalten mit seiner Egomanie; mit seiner Überzeugung, dass Bayern nur bei einem in guten Händen ist, und zwar bei ihm, Horst Seehofer.

An diesem Punkt hat er mit seinen Gedankenspielen angefangen, und an diesem Punkt ist er am Ende wieder rausgekommen. Es ist ein bisschen so, als würde Dieter Bohlen in der letzten Folge von "Deutschland sucht den Superstar" bekanntgeben, er habe alle gehört, keiner könne singen, er bleibe selbst Superstar.

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