Süddeutsche Zeitung

Parlament:Bayerische Abgeordnete wollen bei den Diäten fasten

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Von Lisa Schnell, München

Etwa ein Jahr ist es her, da waren sich im Landtag eigentlich alle einig: Wie viel ein Abgeordneter verdient, das ist in Bayern gut geregelt, gerade weil die Parlamentarier nicht selbst entscheiden, was ihre Arbeit wert ist, sondern ein Index. Steigen die Löhne in Bayern, steigen die Diäten, fallen die Löhne, sinkt das Einkommen der Abgeordneten. Fanden damals alle gut und beschlossen mehrheitlich, es auch weiterhin so zu halten. Nur die Vertreter der AfD kritisierten eine anstehende Erhöhung - ohne selbst ein Exempel zu statuieren und darauf verzichten zu wollen.

Kaum ein Jahr später nun diskutieren die Abgeordneten wieder über Diäten, nicht, weil ein Beschluss anstünde, sondern, weil die Welt vom Coronavirus heimgesucht wird. Wie groß ist nun die Solidarität der Politiker mit ihrem Volk, von dem sie gerade so viel verlangen? Wenn alle verzichten müssen, auf was verzichten sie dann? So oder so ähnlich sind die Fragen intoniert, die gerade viele Politiker gestellt bekommen und auf die es kaum eine andere Antwort zu geben scheint, als sie der Ministerpräsident gegeben hat. "Ich bin für alles bereit", bejahte Markus Söder (CSU) den Verzicht. Bald soll die Staatsregierung ihr eigenes Gehalt kürzen, eine Nullrunde für das Kabinett sei geplant, heißt es aus der Staatskanzlei. "Wichtig" nannte Söder so ein Signal, das auch viele Fraktionen im Landtag senden wollen, nur wie, da ist man sich noch nicht ganz einig.

Klar ist, dass es wohl eine Erhöhung der Diäten geben wird. Im Juli steht die nächste Anpassung an. Da sich der Index an den Gehältern des Vorjahres orientiert und es 2019 konjunkturell gut lief, können die 205 Parlamentarier mit mehr Geld pro Monat rechnen. Wer die Entwicklung der vergangenen Jahre in den Blick nimmt, kommt in etwa auf eine Summe zwischen 100 und 200 Euro. In Krisenzeiten wie jetzt müsse darüber diskutiert werden, inwieweit das Parlament gemeinsam ein Zeichen der Solidarität setzen kann. Diesen Satz können noch alle Fraktionen im Landtag unterschreiben, viel weiter aber ist der Konsens noch nicht gereift.

Derzeit gibt es mehrere Modelle, die besprochen werden. Die FDP etwa hat für sich schon beschlossen, die Erhöhung zu spenden. Jeder Abgeordnete könne selbst entscheiden, welches Projekt er unterstützen wolle, sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Bei den Grünen dagegen scheint ein anderes Modell mehr Sympathie zu genießen. Fraktionschef Ludwig Hartmann etwa kann sich gut vorstellen, einen gemeinsamen Fonds einzurichten. Alle Fraktionen müssten sich dann auf Projekte einigen, denen das Geld zukommen soll. Hartmann denkt da etwa an eine Unterstützung für Frauenhäuser oder Ehrenamtliche. Bei der AfD gingen die Gedankenspiele wohl eher Richtung Bürgerwehr, vermutet Hagen, und zweifelt an, dass die sechs Fraktionen im Landtag eine gemeinsame Linie finden könnten.

Ähnlich geht es Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler. Viel mehr aber sorgt ihn ein anderer Aspekt, der bis vor Kurzem immer wieder in den Diskussionen auftauchte. Manch einer dachte darüber nach, die Erhöhung vielleicht einfach auszusetzen oder zu verschieben. Das aber ginge wohl nur mit einer Gesetzesänderung, die Streibl ablehnt. "Ich warne davor, dass man das System anpackt", sagt er. Die geltende Indexregelung wurde vor einem Jahr im Landtag auch deshalb von fast allen Fraktionen gelobt, weil sie den Vorwurf, Abgeordnete würden sich ihren Lohnzettel selbst ausstellen, entkräftet. Wenn sie nun angetastet werde, könnte der Eindruck entstehen, das Parlament wolle sich nicht daran halten. Zudem werde die Corona-Krise die Abgeordneten noch hart treffen, nur eben mit einem Jahr Verzögerung, wenn 2021 die Lohnentwicklung vom Krisenjahr 2020 auf die Abgeordnetengehälter übertragen wird.

Und noch einen Kritikpunkt hat Streibl, einen grundsätzlichen. "Es kommt gut an, wenn man sagt, man spendet, aber es muss auch die Arbeit der Abgeordneten gewürdigt werden", sagt er. Je unattraktiver diese gemacht werde, desto weniger wollten sie machen: "Das würde der Demokratie in unserem Land schaden." Generell dagegen, die Diätenerhöhung zu spenden, sei Streibl natürlich nicht, auch er werde es so halten, nur sollte es in seinen Augen "eine freiwillige Sache" sein.

Welches Modell das richtige ist, wollen die Fraktionen in den nächsten Wochen diskutieren. Auch bei CSU und SPD sei man offen, heißt es. Die AfD will am Donnerstag darüber beraten. Geht es nach CSU und SPD, soll am Ende eine gemeinsame Lösung stehen. "Wir wären schon gut beraten, da ein gemeinsames Zeichen zu setzen", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Tobias Reiß.

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SZ vom 23.04.2020
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