Süddeutsche Zeitung

Schweinfurt:Hochexplosiver Sprengstoff in Obdachlosenunterkunft sichergestellt

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Von Isabel Bernstein und Claudia Henzler, Schweinfurt

30 Liter Chemikalien und ein Kilogramm selbst hergestellter, hochexplosiver Sprengstoff: Diese Mengen hat die Polizei bei der Durchsuchung eines Gebäude in Schweinfurt am Montag sichergestellt. Auch Gegenstände, mit denen Rohrbomben gebaut werden können, wurden laut Bayerischem Landeskriminalamt gefunden. Vier Personen wurden zunächst festgenommen, drei davon sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Gegen einen 35-Jähriger wurde am Dienstag Haftbefehl erlassen, er sitzt in U-Haft. Ob es Anhaltspunkte für eine geplante extremistische Tat gibt, wird derzeit ermittelt, teilt das LKA in einer Pressemitteilung mit.

Am Dienstag hat die Münchner Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, genauer gesagt die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Aber auch sie wollte sich bisher nicht darauf festlegen, in welche extremistische Richtung überhaupt ermittelt wird.

Die Beamten waren am Vormittag wegen einer Zwangsräumung in dem Gebäude, in dem sich auch eine Obdachlosenunterkunft befindet. Zunächst entdeckten sie in einer Wohnung im ersten Stock Chemikalien, mit denen Sprengstoff hergestellt werden kann. Der Bereich des Mehrparteienhauses im Westen Schweinfurts wurde umgehend gesperrt, die Anwohner aus der Gefahrenzone gebracht und nach der Bewohnerin der Wohnung, einer 30-Jährigen, gefahndet. Sie wurde kurze Zeit später in der Wohnung ihres Bruders in Schweinfurt festgenommen, ebenso wie ihr Bruder selbst.

Gegen Mittag meldete sich an der Absperrung ein 35-Jähriger, der sich als Besitzer der gefundenen Chemikalien ausgab. Weil er einen Rucksack bei sich trug, wurde auch dieser Bereich kurzzeitig gesperrt, bis Sprengstoffexperten den Rucksack als ungefährlich einstuften. Der Mann wurde ebenfalls festgenommen, genauso wie der Besitzer eines Kellerabteils, in dem der 35-Jährige Chemikalien und Sprengmittel gelagert haben soll.

Das Kilo Sprengstoff stellten die Ermittler letztlich in einer zweiten Wohnung in der Unterkunft sicher. Bei dem Sprengstoff soll es sich um Acetonperoxid handeln, eine kristalline Substanz, die sich aus Haushaltsreinigern herstellen lässt und schon mehrmals im Zusammenhängen mit Terroranschlägen aufgetaucht ist. Der Stoff ist extrem flüchtig, wenig stabil und nicht sicher zu handhaben. Schon ein Schlag oder Wärme können eine Explosion auslösen. Deshalb hatten LKA-Experten am Montag entschieden, das Material am Abend kontrolliert auf einem Feld zu sprengen.

Die Bewohner des Mehrparteienhauses sowie zwei weiterer Gebäude konnten erst kurz vor 3 Uhr morgens in ihre Häuser zurückkehren. Sie wurden bis dahin in einer von Polizei und Feuerwehr eingerichteten Notunterkunft bei einem Sportverein betreut. Woher die Chemikalien stammen, ist derzeit noch unklar. In die Ermittlungen ist auch die Staatsschutzabteilung des LKA eingebunden.

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