Bildung:Bayerische und russische Hochschulen sollen enger zusammenarbeiten
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Ministerpräsident Horst Seehofer will die Kooperation institutionalisieren. Die Universitäten beider Ländern sind da schon einen Schritt weiter.
Von Anne Kostrzewa, München
Bei seinem Besuch in Moskau zu Beginn des Monats hat sich Horst Seehofer (CSU), kurz gesagt, nicht gerade mit Ruhm bekleckert. In der vielstimmigen Kritik nahezu untergegangen ist dabei eine durchaus vielversprechende Ankündigung: Der Ministerpräsident möchte die Zusammenarbeit zwischen Russland und Bayern im Bereich der Hochschulen institutionalisieren, sie also in eine feste, langfristig geförderte Form gießen.
Es wäre die erste institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Putins Föderation und Seehofers Freistaat im Bereich der Hochschulen. Die Hochschulen selbst sind da schon weiter, seit Jahren bestehen wissenschaftliche Kooperation zwischen bayerischen und russischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
Von Austauschprogrammen bis zu Forschungsprojekten
Die Zusammenarbeit reicht, je nach Fachrichtung, über Austauschprogramme bis hin zu gemeinsamen Forschungsprojekten. Während die politischen Fronten sich über Syrien verhärten, funktioniert die Völkerverständigung in den Laboren bestens. Laut Kultusministerium unterhalten 24 staatliche Hochschulen im Freistaat Beziehungen mit Partnerinstitutionen in Russland.
Etwa 1800 Russen studieren dieses Jahr im Freistaat, die meisten in München und der Metropolregion Nürnberg. Dort sind auch die bayerisch-russischen Kooperationen am stärksten. Die Technische Universität München (TUM) ist mit 50 Kooperationen im ausgehenden Wintersemester der Spitzenreiter, gefolgt von der Uni Erlangen-Nürnberg (FAU) mit 19 Partnerschaften nach Russland.
"Wenn die Wissenschaft nicht zur Völkerverständigung beträgt, hat sie ihre Aufgabe verfehlt", sagt TUM-Präsident Wolfgang Herrmann. An seiner Uni sind heuer 250 russische Studenten eingeschrieben. "Wenn Wissenschaftler unterschiedlicher Nationalitäten zusammen an einem Projekt arbeiten, lernen sie wie selbstverständlich, mit anderen Kulturen und Denkweisen umzugehen. Wie kann das kein Gewinn sein?" Der TUM-Präsident kann sich kein politisches Szenario vorstellen, das die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen seiner Uni und Partnerinstituten in Russland ernsthaft gefährden könnte.
"Wissenschaft steht für uns über jeglicher Ideologie"
Die TUM hat zehn Partneruniversitäten in Russland. Die meisten Kooperationen haben die Fakultäten für Physik und das Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt.
In Erlangen-Nürnberg studieren derzeit 186 Russen, hinzu kommen wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden. Über die Technische Hochschule Nürnberg kommen knapp 100 weitere Studenten aus Russland in die Region. FAU-Sprecherin Susanne Langer sagt: "Wissenschaft steht für uns über jeglicher Ideologie."
Auf ein bayerisch-russisches Projekt ist die FAU besonders stolz: Gemeinsam mit der Universität im russischen Kazan baut ein Lehrstuhl aus dem Bereich Maschinenbau in Russland ein Labor, in dem ähnlich wie beim 3D-Druck Bauteile aus mehreren Schichten gefertigt werden sollen. Das russische Wissenschaftsministerium bezuschusst die Kooperation mit zwei Millionen Euro - ein Baustein in Russlands wissenschaftlicher Internationalisierungsoffensive: Gerade die russischen Elite-Universitäten bekommen kräftige Zuschüsse, um sich international zu positionieren. Bis zum Jahr 2020 will die Föderation den Ausländeranteil an ihren Unis auf 20 Prozent heben, immer mehr Fächer werden auch auf in englischer Sprache gelehrt.
300 Schüler lernen Russisch an staatlichen Schulen
Das dürfte den Austausch deutscher Studenten nach Russland ankurbeln, die sich momentan noch von der Sprachbarriere abschrecken lassen. Während fast alle bayerischen Hochschulen Studenten aus Russland ausbilden, entsenden bislang vergleichsweise wenige ihre Wissenschaftler gen Osten. Der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD förderte im Jahr 2014 Russland-Aufenthalte 49 bayerischer Stipendiaten. Von Russland nach Bayern kamen im selben Jahr 152 Wissenschaftler mit einem DAAD-Stipendium.
Studiengänge mit Russland-Bezug bieten hingegen einige bayerische Unis an. In Würzburg etwa kann man "Russische Sprache und Kultur" studieren. Russisch auf Lehramt bieten Regensburg und Bamberg an, die Nachfrage hält sich mit insgesamt fünf Studenten jedoch eher in Grenzen. Für sie dürften die Jobaussichten nach dem Abschluss indes nicht schlecht stehen: An 16 staatlichen Schulen im Freistaat lernen derzeit etwa 300 Jugendliche Russisch.
Größer ist in Regensburg das Interesse am Fach Russische Philologie, einer Kombination aus Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft. Für den Bachelor sind derzeit 82 Studenten eingeschrieben. Passau bietet den interdisziplinären Master "Russian and East Central European Studies" an. Slawistik mit Fokus auf Ost- und Südosteuropa wird in Bamberg, Passau, Regensburg und München gelehrt.
Aus Kooperationen sind schon Freundschaften entstanden
Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) begrüßt Seehofers Pläne, die Hochschulkooperation auszubauen. "Die Internationalisierung ist eine zentrale Zukunftsaufgabe der bayerischen Hochschulen", sagt Spaenle. Längst sei die bayerische Hochschullandschaft geprägt durch "in der gesamten Welt mobile Wissenschaftler und Studierende", so der Minister. Als Wissenschaftsstandort werde Bayern durch die so entstehende "hohe internationale Dynamik" nachhaltig gestärkt.
Wie die bayerisch-russische Hochschulkooperation genau aussehen soll, vermag weder das Kultusministerium noch die Staatskanzlei zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen. Letztere teilt lediglich mit, dass entsprechende Planungen "in den kommenden Monaten konkretisiert werden". Im Herbst möchte Seehofer erneut nach Moskau reisen, diesmal in Begleitung einer Wissenschaftsdelegation.
Die FAU wird voraussichtlich ihren Vizepräsidenten Günther Leugering entsenden. "Es ist erklärtes Interesse der FAU, an die lange und erfolgreiche Geschichte der Kooperationen mit russischen Hochschulen anzuknüpfen und uns gerade auch dort mit unseren wissenschaftlichen Schwerpunktthemen zu vernetzen", sagt Leugering. Der Mathematiker konnte selbst schon von internationalen Projekten profitieren. Er sagt: "Aus Forschungskooperationen sind auch schon mal Freundschaften fürs Leben geworden."