Süddeutsche Zeitung

Betrugsprozess:Günther Felbingers kreative Buchführung

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Aus dem Gericht von Lisa Schnell, München

Günther Felbinger starrt über den Kopf des Staatsanwalts hinweg und durch die vergilbten Gardinen des Gerichtssaals aus dem Fenster. Sein Anwalt sitzt neben ihm, ein wenig abgewandt, die Arme verschränkt. Die zwei scheinen sich an diesem zweiten Prozesstag am Donnerstag im Landgericht München nicht viel zu sagen zu haben. Dies könnte daran liegen, dass Felbinger am ersten umso gesprächiger war.

Da erweckte der parteilose Landtagsabgeordnete (früher Freie Wähler) den Eindruck, dass ihm von der Verwaltung nahegelegt worden sei, den Landtag mit Scheinverträgen um mehr als 55 000 Euro zu betrügen. Deswegen steht er jetzt vor Gericht. Aussagen, die alle unter einen Generalverdacht stellten und bei Abgeordnetenkollegen und in der Öffentlichkeit für Verwirrung gesorgt hätten, sagt Richterin Elisabeth Ehrl. Aussagen, die Felbingers Anwalt jetzt gerade rücken will. Sein Mandant habe schlecht formuliert und gebe eine Ehrerklärung für die Landtagsverwaltung ab, sagt Martin Reymann-Brauer.

Andere Fragen des Staatsanwalts bleiben noch unbeantwortet. Felbinger hatte ausgesagt, er habe im Monat 2000 Euro für Benzin ausgegeben, und so gerechtfertigt, warum er sich illegal Geld durch Scheinverträge besorgte. Dafür hätte er jeden Tag sechs Stunden im Auto sitzen müssen, rechnet Staatsanwalt Florian Weinzierl vor: "Es ist ein richtiger Schmarrn." Felbinger reagiert, in dem er weiter aus dem Fenster blickt.

Das hätte der geladene Zeuge Jochen H. auch machen können, statt auszusagen. Der Erkenntnisgewinn für das Gericht wäre wohl gleich gering gewesen. H. vermietete Felbinger die Räume für dessen Bürgerbüro in Karlstadt (Landkreis Main-Spessart). Er musste wegen Beihilfe zum Betrug eine Strafe zahlen, weil er sich von Felbinger zum Schein als Mitarbeiter anstellen ließ. Laut Vertrag sollte der Landmaschinentechniker den Abgeordneten Felbinger für 450 Euro im Monat bei seiner parlamentarischen Arbeit unterstützen, etwa durch Recherchen. Recherchiert aber hat H. nichts, die Zahlungen dienten ihm als Miete. Das Geld bekam er als angeblicher Mitarbeiter Felbingers vom Landtag.

Warum er sich auf diesen Deal eingelassen hat? Sich ohne Not strafbar machte? Die Frage stellen ihm die Richterin und der Staatsanwalt gut ein Dutzend Mal - vergeblich. "Für mich war nur das Finanzielle ausschlaggebend", sagt H.. Ob er das Geld nun per Mietvertrag oder als angeblicher Angestellter von Felbinger bekommt, war ihm egal. Zweimal habe man ihn gefragt, ob man das nicht so machen könnte. Und da hat er es eben gemacht. Ob er denn alles unterschreibe, was man ihm hinhalte? "Bei Papierzeug bin ich nicht so dahinter", sagt H..

Ob er denn kein schlechtes Gewissen habe, dass der Freistaat für ihn Sozialversicherungsbeiträge zahlte? Die runden Backen des 33-Jährigen werden immer röter. Was er damals gedacht habe, könne er nicht mehr sagen. Er weiß nicht, von wem das Geld auf seinem Konto gekommen sei, auch nicht, ob er einen oder drei Arbeitsverträge unterschrieben habe. Richterin Ehrl ist geneigt, an seiner "Grundintelligenz" zu zweifeln. "Sie haben doch einen Abschluss gemacht", sagt sie entgeistert.

Umso gesprächiger ist dafür Jan R.. Seinem langjährigen persönlichen Assistenten hat Felbinger es zu verdanken, dass er auf der Anklagebank sitzt. R. wollte mehr Geld. Nachdem er sich mit seinen Wünschen an den Landtag wandte, kündigte ihm Felbinger fristlos. Als Retourkutsche, aber auch aus Gerechtigkeitssinn, wie er sagt, gab er der Staatsanwaltschaft einen anonymen Hinweis. Jetzt sitzen sich die zwei im Gerichtssaal gegenüber, nicht mal ein Meter liegt zwischen ihnen. Felbinger blickt stoisch auf die gefalteten Hände vor sich, als R. ausholt.

Mit den Scheinverträgen habe Felbinger den Wahlkampf der FW finanziert und die Mandatsabgabe, die Abgeordnete an ihre Fraktion zahlen müssen. Bei den FW bis zu 4500 Euro. War am Jahresende noch Geld im Budget des Landtags übrig, sei noch schnell eine Scheinrechnung gestellt worden. Als mit der Verwandtenaffäre 2013 das Abrechnungssystem verschärft wurde, habe Felbinger zu ihm gesagt: "Jetzt müssen wir uns was Neues einfallen lassen." Auf 2000 Euro Benzinkosten sei sein Chef übrigens nie gekommen. Der Betrug sei allein Felbingers Idee gewesen. R. aber habe sie ausgeführt, betont die Verteidigung.

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SZ vom 09.03.2018
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