Süddeutsche Zeitung

Unis in Bayern:Speeddating im Hörsaal

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Von Oktober an sollen Präsenzveranstaltungen an Universitäten wieder die Regel sein. Eine halbe Million Euro steht für Programme bereit, die Studierenden die Rückkehr an den Campus erleichtern sollen.

Von Sarah Höger, München

Die Universität Bayreuth zum Beispiel hat sich dafür entschieden, ihren Studierenden erst einmal die Möglichkeit zu geben, sich zusammenzufinden und sich wieder kennenzulernen. 10 000 Euro erhält die Universität vom Freistaat für das neue Semester, um Ausflüge in Museen und Wochenendexkursionen zu organisieren. Außerdem steht eine Software bereit, mit der sich Studierende zusammentun können. Über das Programm "restart - willkommen zurück" können bayerische Universitäten Anträge für projektbezogene Förderungen stellen - das Wissenschaftsministerium will Studierenden so die Rückkehr an die Unis erleichtern. Denn von Oktober an sollen Präsenzveranstaltungen an den Universitäten wieder der Normalfall sein.

Hörsaalluft schnuppern, Mittagessen in der Kantine oder Sitznachbarn im Seminar kennenlernen: Für Studierende, die zum Sommersemester 2020 oder danach ihr Studium begonnen haben, ist das alles Neuland. Die meisten, die im Herbst in ihr viertes Hochschulsemester starten, haben ihre Universität noch nie von innen gesehen. Seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 sind die Hochschulen dicht. Lehre findet seitdem fast ausschließlich über Videokonferenzen statt. Die Initiative "restart - willkommen zurück" soll vor allem jungen Leuten helfen, die bisher nur die digitale Lehre kennen und noch keinen Fuß auf einen Campus gesetzt haben.

Fast eine halbe Million Euro hat der Freistaat dafür bereitgestellt. Minister Bernd Sibler stellte das Uni-Resozialisierungsprogramm am Freitag im Wissenschaftsministerium vor. "Die Schlafanzug-Veranstaltungen, für die man sich nur einmal im Bett umdrehen und den Laptop aufklappen musste, sind nun endgültig vorbei", versprach er. Seminare und Vorlesungen sollen wieder in Vollbesetzung vor Ort stattfinden können. Studierende rief Sibler auf, an ihre Studienstandorte zurückzukehren. Viele waren zu Beginn der Pandemie aus ihren Studentenbuden in den Universitätsstädten ausgezogen und haben sich wieder bei ihren Eltern einquartiert. Die Rückkehr an die Unis sei aber mitunter gar nicht so einfach, alle müssten sich erst wieder zurecht finden.

Kennenlernprogramme, Begegnungsveranstaltungen, Tutorenprogramme oder Campusrallys sollen im Herbst vor allem das Netzwerken unter den Studierenden und das Einfinden in den Campusalltag erleichtern. Auch Speeddating werde angeboten, "natürlich nur im akademischen Sinne", sagte Sibler. Um Lernlücken zu füllen, sollen Vertiefungskurse und spezielle Tutorien angeboten werden. Dafür sollen die Tutoren extra von Professoren ausgebildet werden, damit die Qualität der Nachhilfe gewährleistet ist. Wie die Unis den "restart" konkret gestalten wollen, können sie selbst entscheiden. Während Bayreuth auf Software und Ausflüge setzt, will Eichstätt mit Bandauftritten Festivalstimmung schaffen. Auf der Bühne sollen auch die Hochschulgruppen Gelegenheit bekommen, sich den Erstsemestern vorzustellen.

Paul Thieme, Sprecher der bayerischen Landesstudierendenvertretung, dankte seinen Kommilitonen bei der Vorstellung von "restart" am Freitag dafür, dass sie während der vergangenen Corona-Semester "trotz aller Schwierigkeiten solidarisch" geblieben seien. Sie hätten auf vieles verzichten müssen. Studieren heiße eben eigentlich nicht nur, sich Vorlesungen anzuhören. Zur akademischen Laufbahn gehöre auch der morgendliche Weg zur Uni, der Kaffe in der Cafeteria, "die Uni zu riechen und zu fühlen", vielleicht den zukünftigen Partner kennenzulernen - oder einfach nur die Wahl vor der Vorlesung, in welche Reihe man sich setzt. Sibler versprach, dass dieser Alltag wieder die Regel und nicht die Ausnahme werde. "Wir lassen das Studium, das nur von schwarzen Kacheln am Bildschirm und einsamen Lerneinheiten zu Hause bestimmt wurde, hinter uns", sagte der Minister.

Die Hochschulen in Bayern sind laut Minister gut auf das kommende Semester vorbereitet. Die Hochschulfamilien müssten aber "den Weg zurück zur Normalität erst wieder finden". Zur neuen Normalität an den Hochschulen gehört auch die 3-G-Regel. Wer zu Präsenzveranstaltungen will, muss entweder geimpft, genesen oder negativ getestet sein. Tests werden für Studierende auch von Oktober an kostenlos bleiben: Es soll dabei reichen, den Studierendenausweis vorzuzeigen. Umfragen der Hochschulen haben ergeben, dass die Impfquote unter den Studierenden deutlich höher ist als in der Gesamtbevölkerung. In Würzburg werden im Wintersemester beispielsweise 89 Prozent zweifach geimpft sein. Nur ein Bruchteil der Nichtgeimpften gab an, sich gar nicht impfen lassen zu wollen oder noch unentschlossen zu sein. Zum Semesterstart soll es an vielen Hochschulen wieder Impfaktionen geben.

Wie genau die 3-G-Regelung in den Gebäuden kontrolliert werden soll, steht allerdings noch nicht fest. Darüber wolle die Staatsregierung gemeinsam mit den Hochschulen bis zum Start des Wintersemesters beraten. Wissenschaftsminister Sibler sagte am Freitag, dass kleinere Standorte über eine Security vor dem Gebäude nachdenken würden. Bei größeren Häusern mit vielen Eingängen sei das schwieriger. Aus Hochschulkreisen ist zu hören, dass es letztendlich wohl auf Stichprobenkontrollen hinauslaufen werde.

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SZ vom 06.09.2021
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