Süddeutsche Zeitung

Silvester:Es bleibt beim Dinner for One

Lesezeit: 1 min

Zum Glück gibt es am Ende des Jahres wenigstens im Fernsehen noch ein paar Konstanten.

Glosse von Katja Auer

Jetzt haben wir heuer also keine einzige Weihnachtsfeier besucht, die Verwandtschaft nicht getroffen und keine Christmette gefeiert in der Heiligen Nacht. Wir werden keine Raketen abfeuern an Silvester, am Neujahrstag nicht zum Sauerkrautessen einladen und so die Gefahr in Kauf nehmen, dass das Geld ausgeht im neuen Jahr, und keine Sternsinger am Dreikönigstag empfangen.

Und wenn wir all das nicht getan haben werden, wird es hoffentlich nützen, und das neue Jahr sich kooperativer zeigen als das ganz und gar zwiderne 2020.

Immerhin, so außergewöhnlich dieses Weihnachtsfest für viele war, so beständig zeigte sich das Fernsehprogramm, ein Trost vor allem für jene, die überhaupt noch analog fernsehen. Aber das Corona-Jahr hat sich eingeprägt. Da greift sich die junge Kaiserin Sissi - wie jedes Jahr - hustend an die schmale Brust und schon durchzuckt den Zuschauer die Sorge, sie könnte sich das Virus eingefangen haben. Ob sich das mit Rumliegen auf Madeira hätte kurieren lassen, müsste bei Gelegenheit ein Experte klären.

Da operiert Professor Brinkmann wieder mal auf dem Bildschirm und sogleich taucht beim Corona-sensibilisierten Zuschauer die Frage auf, ob die Schwarzwaldklinik wohl über ausreichend Intensivbetten verfügt und ob die Oberschwester Hildegard mit Mundschutz und Gesichtsvisier nicht besser zu ertragen wäre. Nicht einmal Michel aus Lönneberga kann ein Weihnachtsessen für die Leute aus dem Armenhaus geben, ohne dass man unwillkürlich denken muss: nicht so nah beieinander! Abstand!

Wenigstens lässt sich das Fernsehjahr traditionell und sogar Corona-konform beschließen, nämlich mit dem Silvesterklassiker "Dinner for One". Die Geburtstagsparty von Miss Sophie ist absolut ungefährlich, obwohl sie mit ihren 90 Jahren zur Risikogruppe gehört. Denn die Gäste Sir Toby, Admiral von Schneider, Mister Pommeroy und Mister Winterbottom sind allesamt schon tot und halten so die Gästezahl angemessen niedrig. Butler James, der die vier in jeder Hinsicht vertreten muss, stammt mutmaßlich aus dem selben Haushalt wie Miss Sophie und muss nicht vor der Zeit gehen, um die Ausgangssperre einzuhalten. So lässt sich heuer wenigstens einmal sagen: The same procedure as every year.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5161187
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.12.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.