Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Coronaschutz mit Brautschleier

Lesezeit: 1 min

Hochzeitspaare müssen in diesem Jahr Nerven wie Drahtseile haben - und gute Ideen, falls die Sause spontan doch noch stattfinden kann

Kolumne von Maximilian Gerl

Alles war so schön gedacht gewesen. Der Antrag, das Ja, die Freude. Hach! Leider ist das Handanhalten nur einer von vielen Schritten auf dem Weg zur Ehe, ein Prozess, der nach allgemeiner Auffassung viel Arbeit erfordert. In Corona-Zeiten aber ist diese Einschätzung zu revidieren: Plötzlich ist die Hochzeitsplanung so einfach wie noch nie, vor allem in Bayern. Hier weiß man ja gar nicht, was man für wann, wo und wen wie planen soll, darf und muss.

Freilich vermählen Standesämter wieder. Doch wer es romantischer mag mit Feier und betrunkenen Vätern, schaut derzeit mit dem berühmten Ofenrohr ins Gebirge. Beziehungsweise über die Landesgrenzen, nach Baden-Württemberg etwa, wo Hochzeiten mit bis zu 99 Gästen erlaubt sind. In Bayern dagegen sind private Feiern noch untersagt. Bis wann? Und welche Auflagen werden dann gelten? Tja. Auch Wirte wüssten das gern. Ohne Perspektive, warnte der Hotel- und Gaststättenverband unlängst, drohten Hochzeiten ins nicht-bayerische Ausland abzuwandern und weitere Einbußen. Auch das Corona-Virus selbst kann jederzeit mit steigenden Infektionszahlen allen Planungen ein Ende bereiten. Viele Paare haben deshalb notgedrungen reagiert. Die einen planen, ihre Hochzeit auf 2021 und womöglich bessere Zeiten zu verschieben. Die anderen planen erst einmal wenig und hoffen, dass die Hochzeit trotzdem in diesem Jahr wie geplant stattfindet. Vielleicht haben ja bis zum Termin Virus und Staatsregierung gleichermaßen ein Herz - angesichts von gleich zwei so schwer einzuschätzenden Unbekannten eine riskante Strategie.

Für letztere Fraktion steht im besten Fall zu erwarten, dass die Hochzeitsplanung plötzlich massiv zu beschleunigen ist. Ein paar Gedankenspiele vorab können hilfreich sein, um den großen Tag stressfrei über die Bühne zu bringen. So könnte der Trauzeuge distanziert mit einer Greifzange die Ringe reichen. Die Oma hätte hinter Plexiglas gute Sicht, lästige Gäste bekämen einen Mundschutz verpasst. Der Hochzeitswalzer würde zur Desinfektionsparade, bei der die Tanzenden im Zwei-Meter-Abstand umeinander wirbeln. Und warum nicht den altmodischen Brautschleier aus der Mottenkiste holen? Die Pflicht zur Mund- und Nasenbedeckung erfüllte er zur Genüge.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4936562
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.