Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Nach drei Jahren kehrt Ernüchterung ein

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Aus Sicht der Initiatoren des "Rettet die Bienen" ist der Freistaat seinen Verpflichtungen nur schleppend nachgekommen. Unter anderem kommt der Öko-Landbau nicht recht voran.

Von Christian Sebald, München

Die Initiatoren des "Volksbegehrens Artenvielfalt - Rettet die Bienen" fordern eine neue Offensive für die Öko-Landwirtschaft in Bayern. "Zwar nimmt der Anteil der Bio-Bauern stetig zu, er dürfte jetzt bei etwa 13 Prozent liegen", sagt die Sprecherin der Initiative und stellvertretende ÖDP-Landeschefin Agnes Becker aus Anlass des dritten Jahrestags des Volksbegehrens. "Aber der Öko-Landbau wächst viel zu langsam. Wenn es weiter so tröpfelt, verfehlen wir das Ziel 30 Prozent Bio-Bauern bis 2030 krachend." Auch was weitere Verpflichtungen des Freistaats aus dem Volksbegehren anbelangt, ziehen die Initiatoren - außer der ÖDP die Grünen, der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und die Gregor-Louisoder-Umweltstiftung (GLUS) - eine eher kritische Bilanz.

Das Bienen-Volksbegehren, wie die Initiative gegen das Artensterben in Bayern landläufig genannt wird, ist mit großem Abstand das erfolgreichste Volksbegehren in Bayern. Bis zum Stichtag am 13. Februar 2019 trugen sich 1,7 Millionen oder 18,3 Prozent der Wahlberechtigten in die Unterschriftslisten ein. Damit war das Zehn-Prozent-Quorum für die Annahme weit übererfüllt. Zentrale Forderungen von ÖDP, Grünen, LBV und GLUS waren außer der Stärkung des Bio-Landbaus der Erhalt von Wiesen und Weiden, ein Biotop-Verbund quer durch Bayern, verbindliche, wenigstens fünf Meter breite Gewässerrandstreifen an Bächen und Flüssen, auf denen nicht geackert wird, und ein verstärkter Schutz von Streuobstwiesen.

Nach dem überragenden Erfolg der Initiative nahm die Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Volksbegehren schnell an - gegen den erbitterten Widerstand der Bauern, die massive Einschränkungen befürchteten, sollten die Forderungen erfüllt werden. Bei der Umsetzung des Volksbegehrens im neuen bayerischen Naturschutzgesetz kam die Staatsregierung denn auch den Landwirten weit entgegen, sodass einzelne Kritiker alsbald von einer Verwässerung zumindest eines Teils der Forderungen sprachen.

"Der erste Bericht zum Biotop-Verbund war ein Armutszeugnis"

Das war zunächst auch beim bisher größten Erfolg der Initiative - einem besseren Schutz der Streuobstwiesen in Bayern - der Fall. Der Punkt wurde so abgeschwächt, dass es dem eigentlich wenig klagefreudigen LBV zu viel war und er gegen den Freistaat vor Gericht zog. Damit der LBV möglichst davon lässt, schnürte der Freistaat ein einzigartiges Förderprogramm. Danach werden bis 2035 eine Million neue Streuobst-Bäume gepflanzt - das entspricht einem Fünftel des bayernweiten Bestands. Außerdem gibt es Streuobst-Berater für die Landwirte, ein Marketingprogramm für den Absatz des Obstes und anderes mehr. Insgesamt lässt sich der Freistaat das Programm 670 Millionen Euro kosten. "Die neue Streuobst-Förderung ist das Paradebeispiel, wie die richtige Umsetzung des Volksbegehrens geht", sagt LBV-Chef Norbert Schäffer zufrieden.

Nicht nur bei der Förderung der Bio-Bauern fällt die Bilanz der Initiatoren dagegen eher nüchtern aus. Sondern auch bei vielen anderen Punkten. "Der erste Bericht zum Biotop-Verbund war ein Armutszeugnis", sagt der Fraktionschef der Landtags-Grünen, Ludwig Hartmann. "Kein Konzept, keine Karten, wo die Biotope liegen, nur eine dürre Aufsummierung, mit dem Ergebnis, dass neun Prozent des offen Landes Biotope sind und man ganz nah an den zehn Prozent bis 2023 ist." Das ist der Initiative zu dürftig. Auch was die Gewässerrandstreifen und den Schutz von Wiesen und Weiden anbelangt, komme der Freistaat viel zu langsam voran.

Bei den Bio-Bauern könnte der Freistaat dagegen jetzt etwas bewirken. Durch die neue Agrarpolitik der EU wird in Bayern ein höherer Millionen-Betrag frei - GLUS-Geschäftsführer Claus Obermeier beziffert ihn auf 70 Millionen Euro im Jahr. "Damit könnte man den Öko-Landbau schnell und wirksam voranbringen", sagt er. "Vorausgesetzt, man setzt das Geld gezielt ein und schüttet es nicht nach dem Gießkannen-Prinzip über alle Bauern aus."

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