Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Fachkräfte fehlen auch in der Coronakrise

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Die Zahl der Arbeitslosen steigt und es gibt weniger offene Stellen. Dennoch: Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft warnt vor einem anhaltenden Fachkräftemangel in vielen Branchen.

Von Maximilian Gerl, München

Mehr Arbeitslose und weniger Stellen auf der einen Seite, stetiger Personalbedarf auf der anderen: Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) warnt trotz Corona-Krise vor einem anhaltenden Fachkräftemangel in vielen Branchen. Das Thema bleibe angesichts der demografischen Entwicklung aktuell, sagte VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt am Mittwoch anlässlich der Vorstellung einer neuen Arbeitsmarktstudie.

Zwar beobachte man derzeit eine tief greifende Krise, die Arbeitsplätze koste. "Langfristig aber kämpfen wir gegen den Fachkräftemangel." So gebe es nach wie vor in Bayern viele Berufe, bei denen rechnerisch auf einen Arbeitslosen eine offene Stelle komme. Zu diesen zählen laut aktuellem "Arbeitsmarktbarometer" der VBW etwa Mechatronikerinnen und Mechatroniker sowie Energie- und Elektroberufe. Ähnlich sieht es in der Bauplanung und Vermessung, im Hoch- und Tiefbau sowie in den Gesundheitsberufen aus. Gute Jobaussichten bieten sich auch nach wie vor in den Informatikberufen mit einem Verhältnis von 1,6 Arbeitslosen pro offener Stelle.

In anderen Branchen dagegen machen sich die Auswirkungen der Corona-Krise deutlich bemerkbar. Denn insgesamt verzeichnen die Jobcenter weniger offene Stellen als vor einem Jahr. Viele Unternehmen zögern offenbar mit Anstellungen oder sind in wirtschaftliche Nöte geraten. Besonders stark fielen entsprechend die Rückgänge im Tourismus sowie in Hotels und Gaststätten aus: 44 Prozent weniger offene Stellen wurden dort zuletzt registriert. Auf eine davon kommen im Durchschnitt 4,7 Bewerber. Bei den Reinigungsberufen sind es rechnerisch sogar beinahe elf Arbeitslose je offene Stelle. Allerdings wird für gewöhnlich nur ein Teil der offenen Stellen den Jobcentern gemeldet, auf deren Statistik wiederum das "Arbeitsmarktbarometer" basiert.

Auch der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) nennt die Aussichten für den bayerischen Arbeitsmarkt "gedämpft". Zwar wollten zuletzt weniger Unternehmen als noch im Frühjahr Personal abbauen, heißt es in einer bereits am Dienstag veröffentlichten Konjunkturumfrage. Gleichzeitig setzten aber viele Firmen weiter auf Kurzarbeit, natürliche Fluktuation und Arbeitszeitkonten, um ihren Personalbedarf der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Vor allem dem Hotel- und Gastgewerbe, der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft sowie der Reise- und Luftfahrtbranche machen die Pandemie und die zu ihrer Eindämmungen erlassenen Beschränkungen zu schaffen.

Als wäre der ungewisse Verlauf der Krise nicht genug, kämpfen viele Firmen zudem mit den Auswirkungen internationaler Handelsstreitigkeiten. Insgesamt habe sich die bayerische Wirtschaft "schneller als erwartet vom Corona-Schock erholt", sagte BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl: "Mehr als zwei Drittel des Wegs zurück zum Vorkrisenniveau" seien bereits zurückgelegt. Allerdings werde diese Dynamik in den kommenden Monaten wohl deutlich nachlassen. Wie die VBW geht der BIHK momentan davon aus, dass sich die wirtschaftliche Erholung bis ins Jahr 2022 hinziehen dürfte.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2020
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