Süddeutsche Zeitung

Schwaben:Entsetzen über Tierquälerei in Allgäuer Großbetrieb

Lesezeit: 3 min

Von Pia Ratzesberger und Christian Sebald, München

Im Fall der kürzlich bekannt gewordenen Tierquälerei in einem der größten Milchviehbetriebe Bayerns hat die Staatsanwaltschaft Memmingen Ermittlungen aufgenommen. Die zuständigen Ministerien fordern eine schnelle Aufklärung der Vorfälle auf dem Hof des Bauern Franz Endres in Bad Grönenbach: "Hier steht kriminelles Verhalten im Raum. Tierquälerei ist nicht hinnehmbar", sagte der Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Die notwendigen Schritte durch das Ministerium und die zuständigen Behörden vor Ort seien eingeleitet.

Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) kündigte an, Glauber bei der Aufklärung der Machenschaften zu unterstützen: "Wenn die Vorwürfe zutreffen, missbillige ich sie auf das Schärfste." Sollten dem Bauern Straftaten nachgewiesen werden, forderte Kaniber eine harte Bestrafung, die abschreckend wirke. Die Vorwürfe dürften aber auf keinen Fall Anlass sein, alle Tierhalter in Bayern zu verunglimpfen. Das Verbraucherschutzministerium teilte mit, dass die am Montag begonnene Kontrolle des Betriebes noch nicht beendet sei. Der komplette Betrieb werde ausgeleuchtet und damit auch die Außenstellen des Haupthofes. Am Freitag hatte es bereits eine Sonderkontrolle auf diesem Haupthof gegeben. Dabei hatte man laut Ministerium keinen "grob tierschutzwidrigen Umgang des Personals mit den Tieren" feststellen können.

Nach der ersten Kontrolle am Freitag war am Samstagmorgen auf einem der von Endres gepachteten Höfe ein großer Tiertransporter zu sehen. Der Verdacht liegt nahe, dass mit dem Transporter Tiere aus dem Stall gebracht worden sein könnten. Der Bauer Walter Honold, der den Hof seit mehr als drei Jahren an Endres verpachtet, hatte in der Vergangenheit bereits kritisiert, dass Boxen überbelegt seien. Auf die Frage, welchen Hintergrund der Transport am Samstag hatte, antwortete Endres bis Dienstagabend nicht. Auch äußerte er sich nach wie vor nicht zu den Verstößen gegen den Tierschutz auf seinem Hof. Die Käserei Champignon, die er bislang belieferte, gab am Dienstag bekannt, dass die Milch "von einwandfreier Qualität" sei - man aus "ethischen und moralischen Gründen" aber ab sofort keine Milch mehr von diesem Hof verarbeiten werde.

Auf umfassenden Aufnahmen, die der Süddeutschen Zeitung sowie den ARD-Politikmagazinen "Report Mainz" und "Fakt" von der Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz übergeben worden sind, ist zu sehen, wie Tiere auf dem Hof gequält wurden. Die Aufnahmen erstrecken sich über einen Zeitraum von knapp vier Wochen, von Ende Mai bis Ende Juni dieses Jahres und zeigen unter anderem, wie Kühe wie leblose Gegenstände von einem Ort zum nächsten geschleift wurden oder in einem Krankenstall verendeten. Kühe aus diesem Krankenstall kamen später noch zum Schlachthof Vion in Buchloe - und damit in den Handel. Ein notgeschlachtetes Tier wurde Mitte Juni zu dem Schlachthof gebracht. Das Tier habe einen sogenannten Begleitschein gehabt, heißt es vonseiten des Unternehmens, und Teile der Kuh seien "für den menschlichen Verzehr" freigegeben worden. Ein weiteres Tier, das Mitte Juni auf den Schlachthof kam, ist ebenfalls auf den Videos zu sehen - wie es im Krankenstall liegt.

"Wie wir mit Tieren umgehen, zeigt, was für Menschen wir sind"

Die Parteien im Landtag zeigten sich entsetzt über den neuen Skandal. "Solche Haltungsbedingungen gehen gar nicht", sagte der Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag, Leopold Herz (Freie Wähler), der selbst Milchbauer ist. "Jeder Bauer muss die Tierschutzvorgaben einhalten, der kleine genauso wie der große." Zwar stünden die Landwirte unter teils großem wirtschaftlichen Druck. Aber damit könne man die Vorwürfe gegenüber dem Großbauern Endres keinesfalls rechtfertigen. "Die Bilder sind absolut verstörend und schaden dem gesamten Berufsstand der Landwirte", sagte Eric Beißwenger (CSU). Christoph Skutella von der FDP sprach ebenfalls von "erschütternden Bildern". Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiteten, müsse das Konsequenzen haben. "Tierquälerei ist ein Schlag ins Gesicht aller Landwirte, die ihre Tiere korrekt halten", erklärte Skutella. "Wie wir mit Tieren umgehen, zeigt, was für Menschen wir sind."

Grüne und SPD übten harsche Kritik an den Kontrollbehörden. "Skandale in bayerischen Lebensmittel- und Agrarbetrieben sind leider so erwartbar wie das nächste Sommergewitter", erklärte der Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach in Anspielung auf zurückliegende Skandale wie bei der Firma Bayern-Ei. "Erneut erfahren wir: Die staatlichen Kontrollbehörden stolpern von Skandal zu Skandal." Die SPD-Abgeordnete Martina Fehlner forderte einen Bericht von Minister Glauber im Landtag im Umweltausschuss. Ihr Fraktionskollege Florian von Brunn kündigte bereits einen umfangreichen Fragenkatalog an die Staatsregierung an.

Die Vorsitzende des Umweltausschusses, die Grünen-Politikerin Rosie Steinberger, zeigte sich ebenfalls offen für eine Sondersitzung des Gremiums. "Natürlich muss Minister Glauber jetzt Farbe bekennen", sagte sie. "Ich bin gespannt, ob er einen Unterschied macht im Vergleich zu seinen Amtsvorgängern." Als erste Maßnahme verlangte sie eine weitere Aufstockung des Personals in den Veterinärabteilungen der Landratsämter. Die Amtstierärzte sind zuständig für die Überwachung von Betrieben wie dem Hof von Bauer Endres. Das Verbraucherschutzministerium hatte im konkreten Fall am Montag bereits angekündigt, das zuständige Landratsamt personell zu unterstützen.

Beim Bayerischen Bauernverband gibt man sich derweil zurückhaltend. "Die Anschuldigungen müssen natürlich überprüft werden", sagte ein Sprecher. Verstöße, wie sie in den Berichten über den Endres-Hof geschildert werden, seien zwar weder hinnehmbar, noch in irgendeiner Art und Weise zu entschuldigen. Aber es handle sich um ein laufendes Verfahren.

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SZ vom 10.07.2019
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