Süddeutsche Zeitung

AfD im Landtag:Mal Giftpfeil, mal Herzchen

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Zwei Monate nach dem Führungswechsel in der AfD-Fraktion fällt der politischen Konkurrenz kein neuer Kurs auf, dafür vor allem eines: schwächere Rhetorik.

Kommentar von Johann Osel, München

Wenn es im bayerischen Landtag so richtig laut wird, dann steckt sehr verlässlich ein Disput zwischen Freien Wählern und AfD dahinter, oder umgekehrt. Vergangene Woche war es mal wieder so weit. Da tat der AfD-Abgeordnete Ingo Hahn so, als wolle er dem FW-Fraktionschef Florian Streibl eine Frage stellen. Und schoss einen Giftpfeil ab: Wie es so laufe mit "Ihrem Amigo-Ministerpräsidenten Markus Söder"? Der Adressat, Sohn des klüngeltüchtigen, mit dem Ausruf "Saludos amigos" bekannt gewordenen CSU-Regierungschefs Max Streibl (1988 bis 1993), konnte da wohl nur aus der Haut fahren.

"Seinen Amigo-Freund" - das empfinde er "als persönliche Beleidigung" aus "boshafter Absicht", sagte Streibl. "Meine Familie hat unter diesem Begriff genug gelitten." Von Streibl kam an dem Tag dafür noch eine pfiffige Analyse. Der politische Stil der AfD habe sich trotz Neuwahl des Vorstands "nicht groß geändert. Die Inhalte sind gleich geblieben und nur rhetorisch etwas schwächer geworden".

Christian Klingen und Ulrich Singer haben vor gut zwei Monaten nach langem Machtkampf das Duo Ingo Hahn und Katrin Ebner-Steiner als Fraktionschefs abgelöst. Klingen wirkte in Erwiderung des Ministerpräsidenten nun, als habe sich der gemächliche Onkel beim Frühschoppen zum spontanen Politisieren entschlossen, Singer hört sich mitunter an wie ein hippeliger Schülersprecher. Ebner-Steiners krachert-niederbayerische Auftritte bringen dagegen durchaus Unterhaltungswert, und Hahn ist, wenngleich triefend vor Chuzpe, einfach ein guter Redner.

Und sonst so? Ihren Dauerstreit hat die AfD entweder beigelegt oder sie kann ihn gut verbergen; nichts Negatives dringt nach außen, auch wurden dem Landtagsamt keine Sachschäden gemeldet. Das war voriges Jahr anders, da wurde so zupackend gestritten, dass eine Plexiglasscheibe kaputt ging und der Sanitätskoffer nötig wurde.

Mehr Team, mehr Professionalität gaben die Neuen ja als Ziel aus beim Antritt, mancher erwartete moderatere Töne. Davon hat man in den Corona-Debatten noch nicht viel vernommen. Was es aber zum Beispiel gibt: Pressekonferenzen, die waren bei der früheren Spitze eine wahre Rarität. Ein weiteres Ziel war es, "bayerischer aufzutreten". Die Emailsignatur der Fraktion ziert seit Kurzem ein weiß-blaues Herzchen. Ein Geniestreich!

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