Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Rechenleistung mit Tradition

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Vielleicht sollte das bayerische Mathe-Abi als immaterielles Kulturgut angemeldet werden: Jedes Jahr gibt es die gleiche Diskussion, wie schwer die Fragen diesmal waren. Dabei hängt die Antwort auch davon ab, was man als Maßstab nimmt. Oder wen.

Glosse von Maximilian Gerl

Die Tinte auf dem Papier war gerade erst getrocknet, da startete die Debatte schon wieder. Wie schwer war das Mathe-Abi diesmal? Als halbwegs gesichert gilt nur, dass es eher nicht so leicht war, was Bayerns Abiturienten und Abiturientinnen da vergangenen Mittwoch auszurechnen hatten - davon zeugen unter anderem die Kommentarspalten auf Youtube, wo Clips mit Musterlösungen der diesjährigen Aufgaben diskutiert werden. "Alles in allem", schreibt etwa eine Userin, ein "relativ schwieriges Abi". Eine andere: "Hab leider nur die Hälfte des Geometrieteils ausfüllen können." Als besonders herausfordernd wurde eine Aufgabe empfunden, in der mit Kreissektoren zu hantieren war. Schwierigkeitsgrad laut Schätzung eines weiteren Kommentators: "bodenlos".

So abgrundtief dürfte man das Ganze freilich nicht überall sehen. Trotzdem könnten sie im Kultusministerium darüber nachdenken, das Abitur im Fach Mathematik als immaterielles Kulturgut anzumelden: In so schöner Regelmäßigkeit häufen sich die Klagen über zu anspruchsvolle Prüfungsfragen. 2019 darf in dieser Hinsicht als unfreiwilliger Höhepunkt bayerischen Brauchtums gelten, damals unterschrieben Tausende eine Petition, beklagten unfaire Fragestellungen, forderten, die Bewertung anzupassen. Unterstützung erhielten die Protestierenden von der Landtagsfraktion der Bayern-SPD. Geholfen hat die Solidarität am Ende freilich wenig, alles "lehrplankonform", hieß es.

Absehbar ist also, dass auch dieses Jahr wieder Fragezeichen bleiben, unabhängig vom Ergebnis. Wie bodenlos war das Mathe-Abi jetzt wirklich? Schwerer als früher? Oder wenigstens okay? Und wie viel Schwere ist überhaupt angemessen? Eine Antwort darauf ist gar nicht so leicht zu finden, denn schon über die Definition der Maßstäbe gehen die Ansichten mitunter weit auseinander. So ist aus dem Jahr 2008 ein Mathelehrer überliefert, der seine Prüflinge mit seinen eigenen Nöten zu motivieren versuchte: "Das Abi ist schwer - ich habe 15 Minuten gebraucht, um es zu lösen." Andere hängen da die Latte gleich tiefer. Auf Youtube gab ein User zu Protokoll, mit dem Abi von 2023 eigentlich ganz "happy" zu sein. Er sei zwar "absolut beschissen in Mathe", aber den Aufgabenteil Stochastik, den "hab ich rasiert".

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