Süddeutsche Zeitung

Bayerisches Fernsehen:"Dahoam ist Dahoam": Ein Dorf wie Bayern

Lesezeit: 3 min

Alles begann 2007 in einer Dachauer Fabrikhalle: Für die Soap "Dahoam ist Dahoam" hat das Bayerische Fernsehen die Gemeinde Lansing erfunden und nach 2000 Folgen ein Stück bayerische Fernsehgeschichte geschrieben.

Von Hans Kratzer, Dachau

Von den 2056 selbständigen Gemeinden, die es in Bayern gibt, tragen nur wenige einen so typisch bayerischen Namen wie Lansing. So heißt die wohl berühmteste Gemeinde in Bayern - aber ausgerechnet sie taucht im amtlichen Verzeichnis gar nicht auf. Eine Abfrage im Internet führt stattdessen in den US-Bundesstaat Michigan, dessen Hauptstadt ebenfalls Lansing heißt. Das amerikanische Lansing hat aber mit Bayern kaum etwas zu tun. Höchstens, dass die wunderbare Münchner Schauspielerin Barbara de Koy von dort herstammt. Das bayerische Lansing indessen ist voll von Schauspielern, was insofern nicht verwundert, als dieser Ort im Zentrum der seit zehn Jahren im Bayerischen Fernsehen laufenden Erfolgsserie "Dahoam is Dahoam" steht.

Viele Zuschauer glauben längst, Lansing sei ein Ortsteil von Dachau, denn die Serie wird in einem aufgelassenen Industriegelände am Rande von Dachau gedreht. Das an der Schleißheimer Straße gelegene Areal hieß früher Schustergelände, benannt nach der dortigen Feinpappenfabrik Schuster. Der Dorfname Lansing ist rein fiktiver Natur. Die Serie weckt allerdings die Illusion, Lansing liege irgendwo im Alpenvorland. Die regelmäßig eingeblendete Landschaftsidylle mit Seen und Bergen zeigt quasi als Alibi-Lansing die Ortschaft Tettenhausen im Rupertiwinkel (Kreis Traunstein). Weitere Fixmotive aus Lansing sind im Dachauer Hinterland gedreht worden.

Der Drehort? Reiner Zufall!

Nur durch einen Zufall ist Lansing im Jahr 2007 in Dachau angesiedelt worden. Roland Weese und Andreas Niedermeier schnaufen heute noch schwer, wenn sie an die Anfänge von "Dahoam is Dahoam" zurückdenken. Im Zuge einer Programmreform reifte damals beim BR der ambitionierte Plan, eine tägliche Serie als neues Flaggschiff des Senders zu starten. Es türmten sich aber sogleich Probleme auf: Die Zeit bis zum Start war knapp, und es fehlte ein geeigneter Drehort. Außerdem gestaltete sich die Suche nach einem Gelände viel schwieriger als gedacht.

"Wir brauchten eine alte Fabrikhalle, in die man die Sets reinbauen konnte", sagt Roland Weese, der damalige Produktionsleiter, der sich mit seinen Mitarbeitern hoffnungsfroh auf die Suche machte. Fast 30 Standorte wurden besichtigt, im Euro-Industriepark in München, in Hochbrück, in Aschheim, aber immer gab es einen Haken oder ein Kostenproblem. "Wir waren ziemlich frustriert", erinnert sich Andreas Niedermeier, der damalige Werkstättenleiter. Dann stach ihm bei einem Spaziergang in Dachau ein aufgelassenes Industriegelände ins Auge. "Das ist eine Ruine, das geht nicht", war sein erster Eindruck, aber es standen auch brauchbare Gebäude herum. Sofort wurde der Eigentümer kontaktiert, und kurz darauf der Mietvertrag unterzeichnet.

"Das schafft ihr nie!"

Nun mussten die alten Fabrikgebäude auf dem 15 000 Quadratmeter großen Gelände in kürzester Zeit in das Filmdorf Lansing umgebaut werden. "Bis zum ersten Drehtag am 14. August 2007 hatten wir zweieinhalb Monate Zeit", erzählt Weese bei einem Rundgang am Drehort. Die Hallen mussten entkernt werden, es brauchte neue Dächer, neue Eingänge und Fenster, bevor die Studios eingebaut werden konnten. "Es war ein gigantischer Aufwand", sagt Weese. "Das schafft ihr nie!", bekam das Team mehr als nur einmal zu hören.

Dass rechtzeitig ein komplettes Dorf mit Gasthaus, Biergarten, Autowerkstatt, Kirche und Apotheke entstand, lag auch am Fleiß der Handwerker des BR. "Alle waren hoch motiviert, teilweise wurde wirklich Tag und Nacht durchgearbeitet", sagt Weese. Der Drehort bietet den Machern der Serie einen großen Vorteil: Für das 150-köpfige Team, das pro Woche fünf Sendefolgen produziert, ist alles fußläufig zu erreichen.

Das Herz bilden die drei Studiohallen, in denen die Produktionsabteilungen und die 36 Kulissen untergebracht sind. Das Dorf besteht aus Attrappen. Wer die Kirche betreten will, stößt nach dem Öffnen der Tür sofort auf eine Bretterwand. Und selbst der Brunnerwirt, das Herz der Serie, bietet nur die Fassade, die Gaststube ist in die Studios integriert.

Diese Trennung hat neulich beim Fantag, zu dem Tausende nach Lansing strömten, doch einige irritiert. Zumal nach gut 2000 Folgen von "Dahoam is Dahoam", die seit dem 8. Oktober 2007 ausgestrahlt wurden, die Illusionen immer noch blühen. Bundesweit verfolgen täglich bis zu eine Million Zuschauer die Episoden aus dem Lansinger Dorfleben, die lebensnahe Themen, Probleme und Konflikte gesellschaftlicher und familiärer Art aufgreifen.

Ein Stück bayerische Fernsehgeschichte

Viele Zuschauer, das war beim Fantag zu spüren, betrachten Lansing als eine Heimat mit realem Charakter. Die Schicksale der Protagonisten wurden zum Teil mit einer Leidenschaft und emotionalen Bindung erörtert, als handle es sich um reale Personen. Manche Fans leiden mit den von den Schauspielern verkörperten Menschen intensiv mit. Sie identifizieren sich mit der Serie voll und ganz.

Als es einem Mitglied der fiktiven Lansinger Familie Preissinger gesundheitlich nicht gut ging, wurden zur Unterstützung desselben Kuverts mit Geld geschickt, erzählt der Aufnahmeleiter Georg Rettenbeck. Und nach dem fiktiven Tod der jungen Mama Maria Kirchleitner trafen Spielsachen für den Sohn ein, der ja nun Halbwaise war.

"Wir schreiben hier ein neues Stück bayerischer Fernsehgeschichte", hatte der damalige Fernsehdirektor Gerhard Fuchs 2007 zum Start der Serie angekündigt. Dass er damit Recht behalten sollte, war damals noch nicht abzusehen. Bis Mitte 2018 wird Lansing auf alle Fälle noch bestehen, eine weitere Verlängerung der Serie gilt trotz des Sparzwangs beim BR als sicher.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2017
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