Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Beamtenbund:Vom Lehrerschreck zum mächtigsten Cheflobbyisten

Lesezeit: 3 min

Rolf Habermann hat es weit gebracht. An der Spitze des Bayerischen Beamtenbundes heizt er seit Jahren den Politikern ein.

Von Wolfgang Wittl, München

Es müssen wilde Zeiten gewesen sein, damals, Anfang der Siebzigerjahre in Oberfranken. Rolf Habermann verkörperte nicht gerade die Art Schüler, die sich ein Lehrer wünscht. Sein Wesen so widerspenstig wie das schulterlange, gelockte Haar, sein Abiturzeugnis holte er ab, wann es ihm passte - jedenfalls nicht beim offiziellen Festakt.

Habermann war so etwas wie der Gegenentwurf des späteren Umweltministers Werner Schnappauf, mit dem er zusammen das Kaspar-Zeuß-Gymnasium in Kronach besuchte. Schnappauf gehörte der Schülermitverwaltung an, Habermann der selbsternannten "APO", wie er sagt. Heute sitzt er mit akkuratem Kurzhaarschnitt hinter seinem edlen Holzschreibtisch im vornehmen Lessing-Palais in München und ist einer der mächtigsten Cheflobbyisten in ganz Bayern.

Rolf Habermann hat es weit gebracht, seinen Verband allerdings hat er wohl noch weiter vorangebracht. Seit 2002 steht Habermann, 62, an der Spitze des Bayerischen Beamtenbundes (BBB). Beim Delegiertentreffen, das nur alle fünf Jahre stattfindet, ist Habermann nun mit 96,8 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Spätestens 2020, mit dem Eintritt ins Pensionsalter, wird für Habermann Schluss aber sein als Chef des 200 000 Mitglieder starken Verbandes. Gerade Führungskräfte sollten wissen, "wann man zu gehen hat", sagt er. Zuvor hat er aber noch einiges zu erledigen.

Am schwierigsten waren die Jahre unter Stoiber

Dass ausgerechnet der Lehrerschreck Habermann Lehrer werden würde, hat vermutlich nicht nur ihn überrascht. Er stieg zum Rektor an der Hauptschule in Kronach auf, nebenbei arbeitete er sich im Lehrerverband BLLV, im BBB und Personalrat hoch. Seine Motivation: Schon als Schüler sei er sozial engagiert gewesen.

"Beste Arbeitsbedingungen" will Habermann schaffen. Seit 2001 vertritt er als Vorsitzender des Hauptpersonalrats im Kultusministerium die Interessen seiner Lehrerkollegen - knallhart, aber jederzeit fair, wie Verhandlungspartner ihm bescheinigen. Ein Jahr später wurde er das Gesicht aller Beamten.

Von seinem Schreibtisch aus blickt der zweifache Familienvater auf eine Fotogalerie, es ist eine Dokumentation seiner Amtszeit: Er ist abgebildet mit dem verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau, mit den Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Günther Beckstein und Horst Seehofer, allein sechs bayerische Finanzminister hat er erlebt.

Am schwierigsten waren die Jahre unter Stoiber, der es wagte, die Arbeitszeit der Beamten gleich zweimal zu erhöhen: von 38,5 auf 40 und auf 42 Wochenstunden. "Wir haben uns nach der Wahl 2003 getäuscht gefühlt", erinnert sich Habermann. Er sagt zwar auch, dass sich das Verhältnis zu Stoiber noch vor dessen Sturz 2007 wieder gebessert habe. Die Macht der Staatsdiener bekam die CSU-Regierung trotzdem zu spüren.

Nur 31 Prozent der Beamten wählten 2008 die CSU und trugen so maßgeblich zum Verlust der absoluten Mehrheit bei. Inzwischen liegt die Zustimmung wieder bei 43 Prozent, auch weil der neue Ministerpräsident Seehofer die Arbeitszeit rasch wieder senkte.

Die Staatsregierung weiß nicht nur um die Bedeutung der Beamten, sondern auch ihres Chefs. Seehofer schätzt Habermanns Kompetenz wie dessen Verlässlichkeit: "Ein Mann, ein Wort", der BBB-Vorsitzende spiele stets mit offenen Karten und halte alle Vereinbarungen ein. Habermanns Credo lautet: "Nach außen zu den Ergebnissen stehen, nach innen vermitteln."

Man müsse einerseits hart verhandeln, andererseits aber auch akzeptieren, wenn nicht mehr herauszuholen sei. Finanzminister Markus Söder als oberster Dienstherr würdigt diesen "konstruktiven Dialog", auch dank Habermann habe Bayern "das modernste Dienstrecht und den leistungsfähigsten öffentlichen Dienst in Deutschland".

Sogar die Opposition stimmt in die Lobeshymne ein. "Wahnsinnig direkt, offen und unglaublich präzise" sei Habermann, sagt SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Der BBB-Chef agiere durch und durch unabhängig. Habermann reicht die Komplimente an seine Mitarbeiter weiter. Eine Parteimitgliedschaft hält er für unvereinbar mit seinem Amt. Es freut ihn aber, wenn die Leistungen des öffentlichen Dienstes - wie etwa in der Flüchtlingskrise - parteiübergreifend anerkannt werden.

An einigen Stellschrauben könne noch gedreht werden

Wenn der BBB ruft, kommen sie alle: Seehofer, Söder und Innenminister Joachim Herrmann werden in Unterschleißheim sprechen - sich aber auch anhören müssen, was Habermann ihnen mit auf den Weg gibt. Bayerns Beamte stünden zwar besser da als ihre Kollegen in anderen Ländern, das bedeute aber nicht, dass man nicht noch "an der ein oder anderen Stellschraube drehen" könne.

So fordert der BBB ein Ende beim Streichen von Beamtenstellen, das noch in der Stoiber-Zeit festgeschrieben wurde. Außerdem die Teilhabe am beruflichen Aufstieg und der Einkommensentwicklung, eine sozialverträgliche Umsetzung der Behördenverlagerung sowie einen flexiblen Ruhestandseintritt. Habermann hält nichts von einer festgeschriebenen Rente mit 63, 67 oder 70 Jahren, man müsse sich stattdessen auf einen zeitlichen Korridor einigen und dann mit finanziellen Zu- und Abschlägen arbeiten.

Eine der häufigsten Fragen, die Habermann gestellt bekommt, ist die nach einem Beamtenwitz. Dann fällt ihm nur das Beamten-Mikado ein ("wer sich zuerst bewegt, hat verloren") - was aber keineswegs an mangelndem Humor liegt. Er kenne viele Menschen, die öffentlich Witze über Beamte reißen, sagt Habermann: "Und auf der Toilette fragen sie einen heimlich, ob man den Kindern nicht beim Einstieg in die Beamtenlaufbahn helfen kann." Das empfindet Habermann wirklich als witzig. Oder mehr noch: als große Bestätigung.

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SZ vom 28.04.2016
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