Süddeutsche Zeitung

Bamberg:Prozess um tödliche Schüsse auf Elfjährige beginnt

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Wegen Mordes an einem elfjährigen Mädchen in der Silvesternacht vor fast einem Jahr muss sich ein 53 Jahre alter Mann aus dem Steigerwald nun vor Gericht verantworten. Er ist angeklagt, das Kind um ein Uhr nachts mit einer Kleinkaliber-Pistole erschossen zu haben - weil er sich in seiner Ruhe gestört fühlte. Am Mittwoch beginnt vor dem Landgericht Bamberg der Prozess im Fall Janina.

Der Mann war ein Nachbar, aufgewachsen in dem kleinen unterfränkischen Dorf Unterschleichach (Landkreis Haßberge), wo er noch immer lebte und als Fahrer in der nahe gelegenen Justizvollzugsanstalt arbeitete. Er wohnte nur wenige Meter von dem Haus entfernt, vor dessen Tür Janina mit drei Freundinnen und zwei Erwachsenen Silvester feierte.

Als sie um ein Uhr nachts noch Böller schossen, wachte er auf und wurde offenbar so wütend, dass er in den Keller ging, die Pistole holte, vors Haus trat und in die Menge feuerte. So steht es in der Anklageschrift. Er zielte nicht in die Luft, er zielte auf fröhliche Kinder. Er traf die elfjährige Janina in den Hinterkopf, das Projektil blieb in ihrem Schädel stecken. Das Kind starb trotz mehrstündiger Notoperation wenige Stunden später in einer Klinik in Schweinfurt.

Tagelang tappte die Polizei im Dunkeln. Fast alle Bewohner von Unterschleichach wurden befragt. Die Beamten fanden in dem 450 Einwohner zählenden Ort rund 60 Kleinkaliberwaffen. Der mutmaßliche Täter machte bei seinen Vernehmungen - zuerst noch als Zeuge - nur vage Angaben. Durch widersprüchliche Aussagen und andere Zeugen wurde er schließlich aber überführt. Er litt offenbar unter verschiedenen Krankheiten und starkem psychischem Druck, seit ihn seine Lebensgefährtin mit dem gemeinsamen Sohn verlassen hatte. Zuletzt habe er völlig isoliert gelebt, berichteten Anwohner.

Erst nach seiner Festnahme räumte der 53-Jährige ein, der Schütze zu sein. Er habe aus Ärger über den Silvester-Krach drei oder vier Mal in Richtung der Menschengruppe am Rand seines Grundstücks geschossen, sagte er laut Staatsanwaltschaft. Die Pistole - und drei weitere Waffen - besaß er legal seit seiner Mitgliedschaft im Schützenverein. Er habe Janina nicht töten wollen, sagte er.

Weil er aber beim Schießen bewusst darauf geachtet habe, von der Straße aus nicht gesehen zu werden, habe das Mädchen nicht mit einem Angriff rechnen können, so die Staatsanwaltschaft. Sie geht von Heimtücke aus und wertet die Tötung als Mord. Dass das Mädchen sterben würde, habe der 53-Jährige zumindest billigend in Kauf genommen. Das könnte für ihn lebenslange Haft bedeuten. Es sind fünf Verhandlungstage angesetzt, das Urteil fällt wohl vor Weihnachten.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2016
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