Süddeutsche Zeitung

Mittelfranken:Eine Altlast zieht ins Museum

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Die Stadt Ornbau wollte es nicht mehr haben: Im Freilandmuseum Bad Windsheim wird ein Kriegerdenkmal enthüllt - das erste in einem Museum.

Von Olaf Przybilla, Bad Windsheim/Ornbau

Als Herbert May das erste Kriegerdenkmal angeboten wurde, nahm er das interessiert zur Kenntnis und lehnte ab. May leitet des Freilandmuseum in Bad Windsheim; dort ist man beileibe nicht darauf erpicht, ausschließlich ästhetisch ansprechende Denkmäler zu zeigen. Aber ein Kriegerdenkmal?

Beim zweiten Angebot - diesmal fragte die Stadt Ornbau im Kreis Ansbach an - kam May ins Grübeln. Offenbar sind historische Kriegerdenkmäler im Ortskern immer öfter nicht mehr gelitten. Andererseits gehören sie genauso offenkundig dazu zum Ortskern, jedenfalls bislang. May macht keinen Hehl daraus, dass seine Idee, dem plötzlich ungewollten Kriegerdenkmal aus der Kleinstadt im Freilandmuseum gleichsam Asyl zu gewähren, in seinem Haus nicht alle sofort überzeugt hat. So ein - Verzeihung, sagt May - "hässliches Ding?" Überhaupt: Spricht die Ikonografie dieses Werkes aus der Zwischenkriegszeit nicht dem Revanchismus das Wort? Und diese zumindest zweifelhafte Bildsprache soll nun museale Auferstehung feiern?

Mays Idee setzte sich trotzdem durch. Erstens können ästethetische Fragen nicht als Grundlage für ein Museum dienen, argumentierte er. Zweitens sind Museen in der Lage, Objekte zu erklären. Respektive zu kontextualisieren, wie Museumsleute das sagen. In Bad Windsheim ist das Denkmal aus Ornbau, das an diesem Freitag enthüllt wird, mit erklärenden Stelen flankiert. Wären sie ganz konsequent gewesen im Museum, hätten sie es sogar mitten in den Ortskern aus der Abteilung 20. Jahrhundert stellen müssen. Dorthin also, wo diese Mahnmale üblicherweise stehen. Andererseits wäre es dort schon sehr dominant gewesen, gerade als Dokument, das vor allem die Zeit zwischen den Weltkriegen repräsentiert. Deshalb haben sie es nun etwas abseits vom Museumsdorfkern aus dem 20. Jahrhundert platziert. Für die Kollegen aus anderen Freilandmuseen der Republik ist das ungewöhnlich genug. Ein Kriegerdenkmal? Hat bislang keines dieser Museen, haben die Kollegen bestätigt.

Ikonografisch ist das Denkmal zumindest auf den ersten Blick nicht eindeutig. Die linke Seite ist ganz modelliertes Pietà-Motiv, eine Schmerzensmutter betrauert den gefallenen Sohn. Rechter Hand dagegen wirkt es so, als übergebe der Gefallene der nächsten Generation ein überdimensioniertes Schwert. Der Beschenkte trägt infantile Züge - aber die Brustmuskeln eines antiken Helden zur Schau. Man kann die Vorstellung nicht unterdrücken, dass hier etwas nicht zu Ende gebracht und der folgenden Generation zu treuen Händen übergeben werden soll, sagt Felix Schmieder, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Freilandmuseum. Was da wohl übergeben werden mag? Der Krieg, könnte man deuten.

Beim Symposium "Nachdenken über Gedenken" wird am Freitag Heinz Baum, Bürgermeister von Ornbau, berichten, wie das war mit dem Gedenken in seiner Kommune. Wie man beschlossen hat, die Altstadt umfassend zu sanieren. Wie dabei auch das Kriegerdenkmal direkt vor der Schule ins Visier geriet. Und wie lebhaft daraufhin diskutiert wurde im Städtchen: Die einen sagten, sie hätten dort immer Fangen gespielt. Die anderen räumten ein, dass ihnen die fragwürdige Figurendarstellung in all den Jahren nie aufgefallen sei. Dritte gaben zu, das sehr wohl wahrgenommen zu haben, aber sich nie getraut zu haben, "das Kriegerdenkmal in Zweifel zu ziehen". Und am Ende setzte sich die Frage durch: "Ist es sinnvoll und berechtigt, dort, wo die Jugend erzogen und herangebildet wird, ein Zeichen des Krieges zu setzen?"

Die örtliche Soldaten- und Reservistenkameradschaft begehrte auf, auch das wird der Bürgermeister am Freitag nicht verschweigen. Deren Forderung war es zunächst, dass - sollte das Mahnmal schon entfernt werden - nur an der alten Stelle ein neues aufgestellt werden dürfe. "Wir aber, die wir nur derer gedenken wollen, die getötet wurden oder gefallen sind, müssen uns vor die Stadt verdrücken", schrieb ein ehemaliger Soldat dem Bürgermeister. Inzwischen hat ein neuer Vorstand der Reservisten sogar am Entwurf eines neuen Ehrenmals mitgewirkt, das nun an der Stadtmauer an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnert. Zufrieden sind damit trotzdem nicht alle. Als das neue Ehrenmal aufgestellt wurde, wetterte ein Leserbriefschreiber, das alte Mahnmal werde nun "zigtausend Jugendlichen und Besuchern zugemutet". In Bad Windsheim.

Zugemutet freilich wird Betrachtern in anderen Kommunen ganz anderes. Andrea Kluxen, Bezirksheimatpflegerin in Mittelfranken, kennt Objekte, die deutlich kriegsverherrlichender sind. Etwa das Kriegerdenkmal in Pommersfelden, wo in Querbalken von drei Steinkreuzen eingemeißelt zu lesen ist: "Lernt Glauben, lernt Kämpfen, lernt Sterben". Inzwischen wurde das Denkmal mit einer einordnenden Kommentierung versehen. Im 19. Jahrhundert konnte man Kriegerdenkmälern sogar einen "demokratischen Grundzug" attestieren, sagt Kluxen - immerhin wurden da Gefallene im Gedenken auf eine Stufe gestellt. Spätestens seit dem ersten Weltkrieg aber wurde den Mahnmalen dann zumeist eine "Sinndeutung für den Tod" beigesteuert. Menschen sind gefallen, nun sollte den Zeitgenossen erklärt werden: wofür? Ornbau ist dafür ein ebenso problematisches wie exemplarisches Beispiel.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2019
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