Süddeutsche Zeitung

Bad Reichenhall:Tödliche Schlamperei

Der Prozess um den Eishalleneinsturz von Bad Reichenhall wird neu aufgerollt. Das ist zwar konsequent. Die Vorwürfe der Hinterbliebenen lassen sich so auch nicht ausräumen.

Heiner Effern

Der Prozess über den Eishalleneinsturz von Bad Reichenhall ließ eigentlich keine Zweifel zu: Nicht die extremen Schneefälle waren schuld am Tod von zwölf Kindern und drei Frauen, sondern menschliches Versagen.

Verantwortliche hatten sich verrechnet, geschlampt oder weggeschaut - vom Bau der Halle Anfang der siebziger Jahre an bis hin zum Einsturz am 2. Januar 2006.

Als das Landgericht Traunstein im November 2008 als einzigen Schuldigen den beim Bau verantwortlichen Statiker zu einer Bewährungsstrafe verurteilte, war das für die Angehörigen ein Schlag ins Gesicht.

Nun hat der Bundesgerichtshof ein Zeichen gesetzt: Einer der Freisprüche ist aufgehoben. Der Prozess muss neu aufgerollt werden. Die Karlsruher Richter stuften die nachgewiesenen Versäumnisse des Gutachters höher ein als die rechtlichen Finessen, die zum Freispruch geführt hatten. Wer seine Pflicht verletzt hat, muss dafür haften. Das ist die klare Botschaft des Bundesgerichtshofs.

Sie sollte den Strafverfolgern Mut machen. Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat nun genau zu prüfen, ob sie nicht doch die Ermittlungen gegen Beschäftigte aus der Stadtverwaltung von Bad Reichenhall wieder aufnimmt.

Bisher wurden die Verfahren mit der Begründung eingestellt, dass der Zusammenhang zwischen einem Versagen im Amt und dem Einsturz nicht einwandfrei herzustellen sei.

Das Landgericht Traunstein begründete den nun aufgehobenen Freispruch einst ähnlich. Das hat jetzt keinen Bestand mehr.

Notwendig wäre ein Prozess auch gegen alle zuständigen Mitarbeiter aus der Verwaltung. So ließe sich der Vorwurf Hinterbliebener ausräumen, der verurteilte Statiker sei nur ein Bauernopfer.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2010
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