Süddeutsche Zeitung

Bad Reichenhall:Bei der Kommunalwahl verzählt - Bürgermeister muss womöglich abtreten

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Zwei Kandidaten und jeweils 1607 Stimmen - so lautete das Ergebnis im März in Bad Reichenhall. Das Los entschied, wer in den Stadtrat kommt. Doch nun wirbelt eine Nachzählung alles durcheinander.

Von Matthias Köpf, Bad Reichenhall

Vier Monate ist die Kommunalwahl inzwischen her, und jetzt ist es wirklich Zeit für eine Entscheidung. Denn erstens läuft die Frist, und zweitens hat die Stadt Bad Reichenhall für Dienstagabend zu einem Empfang mit Ehrungen für die ausgeschiedenen Stadträte geladen. Und wenn er da jetzt doch nicht ausscheiden sollte, dann kann Friedrich Hötzendorfer nach eigenem Empfinden schlecht schon mal die Bürgermedaille für seine ersten 18 Jahre als Stadtrat entgegen nehmen. Also will Hötzendorfer an diesem Montag bekannt geben, ob nun er sein Mandat ausschlägt oder ob stattdessen Reichenhalls Zweiter Bürgermeister Werner Huber seinen Sitz im Rat und damit auch sein Amt wieder abgeben muss.

Bei der Wahl zum Zweiten Bürgermeister war Hubers Mehrheit vielleicht nicht überwältigend, aber wenigstens nicht knapp: Mit 16 zu acht Stimmen haben ihn die Ratskollegen in der konstituierenden Sitzung am 12. Mai zum Stellvertreter des neuen Oberbürgermeisters Christoph Lung (CSU) gemacht. Manche von ihnen hatten damals Bedenken, weil Huber nach der Kommunalwahl nur per Losentscheid in den Stadtrat gelangt war. Denn die Wähler hatten Huber am 15. März 1607 Stimmen gegeben, so lautete jedenfalls das vorläufige Wahlergebnis. Und exakt genau so viele Stimmen hatte demnach auch Hubers Parteifreund Hötzendorfer. Also musste das Los entscheiden, wer als vierter FWG-Vertreter in den Rat rücken sollte, und es entschied für Huber.

Nun allerdings hat das Landratsamt wegen des engen Ergebnisses die Stimmzettel noch einmal nachgeprüft - von Amts wegen und keineswegs auf sein Betreiben hin, wie Friedrich Hötzendorfer betont. Die Behörde hat sich alle als ungültig zurückgewiesenen Wahlbriefe vorgenommen und auch alle 357 Zweifelsfälle überprüft, die von den Wahlvorständen in den Stimmbezirken per Beschluss entschieden worden waren. Einige dieser Fälle hat sie dann anders beurteilt und deswegen dem inzwischen schon zwei Monate amtierenden Zweiten Bürgermeister Huber am Ende sogar zwei Stimmen mehr zugesprochen - Hötzendorfer aber schrieb sie drei Stimmen gut, womit es nun amtlich 1610 zu 1609 für ihn steht und der Losentscheid für Huber hinfällig ist.

Hötzendorfer sagt, er habe am Tag nach der Wahl mit seiner Stadtratstätigkeit abgeschlossen und sich eigentlich schon lange vorher entschieden, nicht mehr für eine vierte Periode in den Rat zu drängen. Auf der Liste der Freien Wählergemeinschaft hatte er sich mit Platz 13 begnügt, aber die Wähler häufelten ihn nach vorn. Und jetzt jucke es ihn eben doch wieder ein bisschen, sich in schwieriger Zeit für die Stadt zu engagieren. Außerdem ist der Wählerwille für Hötzendorfer erklärtermaßen ein hohes Gut, selbst wenn sich die Wähler zunächst scheinbar nicht recht entscheiden konnten und ihr Mehrheitswille am Ende erst vom Landratsamt ermittelt werden musste.

Dass die Behörde das erst jetzt und nicht schon bis zur konstituierenden Ratssitzung im Mai getan hat, hält sich laut offizieller Auskunft im Rahmen der gesetzlichen Frist, auch wenn die Folgen für die Stadtpolitik jetzt misslich sind. OB Lung betont, es sei eben so, wie es vor Wahlen gesagt werde: "Jede Stimme zählt! Daher ist dem Wählerwillen Rechnung zu tragen und das Ergebnis zu korrigieren." Er habe mit seinem Stellvertreter gleich recht gut zusammengearbeitet und würde es bedauern, wenn Huber Sitz und Amt wieder abgeben müsste. Zugleich schätze er auch Hötzendorfer sehr und warte nun ab. Hötzendorfer will seine Entscheidung, ob er das unverhoffte Mandat ausschlägt oder nicht, nach Beratungen mit seiner Familie und mit der FWG verkünden. Auf die Bürgermedaille könnte er jedenfalls noch ein paar Jahre warten.

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SZ vom 20.07.2020
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