Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Obi kündigt Mitarbeitern eine Woche vor Schließung

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Von Stefan Mayr, Augsburg

Die Männer und Frauen recken ihre Daumen nach unten. Ihre Gesichter sind voller Angst, Verzweiflung und auch Wut. Auf ihrem orangefarbenen Plakat steht: "Herr Haub, so leicht werden Sie uns nicht los!" Am Freitag haben vor der Augsburger Filiale der Baumarktkette Obi etwa 30 Mitarbeiter gegen das Management und gegen Miteigentümer Karl-Erivan Haub protestiert.

Sie werfen ihnen vor, bewusst Arbeitnehmerrechte zu verletzen und gezielt Betriebsräte zu entmachten. Auslöser der Demonstration: Die Geschäftsführung wollte den Augsburger Baumarkt Ende Juni zusperren - "quasi von heute auf morgen", wie die Betriebsrätin Gudrun Wagner sagt.

Gewerkschaftssekretär Thomas Gürlebeck spricht von einem "Skandal" und schimpft: "Dieser Arbeitgeber will keine Mitbestimmung und interessiert sich nicht für Gesetze." Erst vor einer Woche habe die Geschäftsführung den 60 Mitarbeitern mitgeteilt, "dass sie nicht mehr gebraucht werden und Ende Juni Schluss ist". Gegen eine derart kurzfristige Schließung ging das Personal zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor, indem sie eine einstweilige Verfügung beantragten.

Am Freitagnachmittag wäre der Termin vor dem Arbeitsgericht gewesen. Doch das Management machte die Sitzung überflüssig, indem es entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung die Filiale am 1. Juli doch noch öffnete. "Das ist ein großer Erfolg", sagt Gewerkschafter Thomas Gürlebeck. "Aber für die Mitarbeiter bleibt das alles dennoch eine Tragödie." Denn niemand wisse, ob und wie lange die Filiale nun weiterbetrieben wird.

Gürlebeck und Wagner bezeichnen das Hin und Her der Geschäftsführer als Trick, um den Gesamtbetriebsrat aufs Abstellgleis zu schieben. Denn die Augsburger Betriebsrätin ist auch stellvertretende Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende. Und die Filiale des Gesamtbetriebsrats-Chefs Bernhard Groening in Sömmerda wurde laut Verdi-Angaben zum Monatswechsel verkauft.

"Damit gehört der bisherige Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende nicht mehr zum Unternehmen Obi", sagt Gürlebeck, "er wurde also ausgebootet." Weitere Nebeneffekt des Verkaufs: "Eine Schließung der Filiale ist jetzt ohne Sozialplan möglich", sagt Wagner, "obwohl es diesen Markt seit mehr als 20 Jahren gibt."

Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller kritisiert das Unternehmen scharf: "So kann man mit Menschen nicht umgehen." Angesichts solcher Praktiken werde er sich sein Einkaufsverhalten "künftig sehr genau überlegen".

Der Augsburger Filialleiter will sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Er verweist auf die Pressestelle in der Obi-Zentrale in Wermelskirchen. Doch dort ist niemand zu erreichen, und es ruft auch niemand zurück. Obi gehört zur Tengelmann Unternehmensgruppe, die der Familie Haub gehört. Die Kette beschäftigt mehr als 46 000 Mitarbeiter und machte im Jahr 2015 6,7 Milliarden Euro Umsatz.

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SZ vom 02.07.2016
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