Süddeutsche Zeitung

Tödlicher Schlag am Augsburger Königsplatz:"Widerwärtige Videos" am Handy

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Ist der Hauptangeklagte besonders aggressiv? Hat er sich mit Kampfsport befasst? Am vierten Verhandlungstag geht es dem Gericht vor allem darum, ein Bild des 17-Jährigen zu zeichnen.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Ist der Hauptangeklagte besonders aggressiv? Hat er sich mit Kampfsport befasst, ist er ein Schlägertyp? Es ist der vierte Verhandlungstag im Prozess über den tödlichen Schlag am Königsplatz, bei dem am Nikolaustag 2019 ein Familienvater aus dem Leben gerissen wurde. Es sagen aus: Polizisten, Justizvollzugsbeamte und auch die frühere Schulleiterin von Halid S., der den Schlag im Laufe der Verhandlung bereits zugegeben hat. Dem Gericht geht es in den Befragungen vor allem darum, ein Bild des Hauptangeklagten zu zeichnen.

So berichtet ein Ermittler, dass auf dem Handy des 17-Jährigen "widerwärtige Videos" gefunden worden seien. Darin seien eine Frau geköpft, Männer von Hunden angefallen und Leute erschossen worden. 2509 Videos waren auf dem Mobiltelefon gespeichert, darunter auch Aufnahmen von Schlägereien unter Jugendlichen in Augsburg. In der Haft, sagte der Leiter der Justizvollzugsanstalt, habe S. mit seiner Tat geprahlt: "Ihr seid kleine Wichtigtuer, ich habe schon einen totgeschlagenen." Demnach erhielt S. ungewöhnlich viele Disziplinarstrafen, allerdings nie wegen besonders gravierender Vorfälle, die strafrechtlich relevant wären. Der JVA-Leiter sprach dennoch von sehr aggressivem, ungebührlichem Verhalten des Angeklagten.

Auch die frühere Schulleiterin sprach von zahlreichen Disziplinarmaßnahmen bis hin zu einem temporären Schulausschluss an der Mittelschule, vor allem jedoch wegen unentschuldigten Fehlens. Halid S. sei nicht durch übermäßige Aggressivität aufgefallen: "Da haben wir andere Kandidaten." Auffällig sei gewesen, dass der Schüler von der achten Klasse an deutlich an Muskelmasse zugelegt gehabt habe. Ein Urteil, auch gegen die beiden Mitangeklagten, soll Anfang November fallen.

Die Tat hatte bundesweit Schlagzeilen ausgelöst. Da der Getötete Mitglied der Berufsfeuerwehr in Augsburg war, hatten vielerorts Feuerwehren des Opfers gedacht. Am Abend des 6. Dezember waren zwei Paare nach einem Besuch des Weihnachtsmarktes auf die Gruppe von Jugendlichen getroffen, wo es dann zu der Auseinandersetzung gekommen war.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2020
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