Süddeutsche Zeitung

Vorbereitung für den Sommer:Augsburg plant den Neustart

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Die Augsburger Oberbürgermeisterin lädt zum Austausch, um die Innenstadt nach der Pandemie zu beleben. Die Brauer, Gastronomen und Kulturveranstalter haben einige Wünsche.

Von Florian Fuchs, Augsburg

"Bis hoffentlich ganz bald im echten Leben", verabschiedet sich Oberbürgermeisterin Eva Weber am Freitagabend nach einem zweistündigen digitalen Hearing zum "Stadtsommer 2021". Und damit das keiner frommer Wunsch bleibt, plant das Augsburger Rathaus - pandemiebedingt per Videoschalte -, wie das Leben im Sommer wieder anlaufen könnte, sobald es das Virus zulässt. Im März soll der Stadtrat entscheiden, an welchen Stellen in der Stadt Schausteller ihre Buden aufstellen dürfen, wann und unter welchen Bedingungen es Kulturfeste geben und wie man ganz allgemein die Menschen in die Stadt locken kann. Oberbürgermeisterin Weber hat dazu nicht nur ihre Referenten und Stadträte, sondern auch wichtige Vertreter aus Handel, Gastronomie, Aktionsgemeinschaften, Wirtschaftskammern und Marketing zusammengetrommelt. Laut Einladung plant Augsburg, wie ein "attraktiver Neustart nach der Pandemie" aussehen könnte.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Stadt einiges auf die Beine gestellt, vom Kettenkarussell auf dem Rathausplatz bis zu einer Bühne für Künstler in der Innenstadt. Die Maximilianstraße, Augsburgs zentrale Flaniermeile, wurde am Wochenende abends für Autos gesperrt, Parkplätze wurden zu einer erweiterten Außengastronomie umfunktioniert. Einerseits, um den Corona-bedingt noch viel größeren Drang der Leute nach draußen als sonst zu kanalisieren. Andererseits, um den Geschäftsleuten Umsatz zu ermöglichen. All das, sagt Weber, soll wieder auf den Prüfstand kommen und gegebenenfalls wiederholt werden. Weil es aber vergangenes Jahr durch den unerwarteten Ausbruch der Pandemie eine "abrupte Situation" gewesen sei, soll nun "mit Vorlauf" geplant werden. Das Rathaus will hören, was sich Unternehmer von der Stadt wünschen.

Da hätten die Unternehmer einige Ideen, wobei es ihnen zunächst gar nicht um konkrete Projekte geht. Brauer, Gastronomen und Kulturveranstalter etwa wünschen sich vor allem Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Planbarkeit. Kaffeehaus-Betreiberin Susanne Dichtl kritisiert, dass eine von ihr beauftragte Agentur dieses Jahr schon einige Anfragen an die Verwaltung gestellt und immer nur "Nein, Nein und nicht möglich" als Antwort bekommen habe. Sie und ihre Augsburger Kollegen müssten zumindest verlässlich planen können, und wenn es nur eine Pflanze sei, die sie auf den Außenflächen aufstellen wolle. "Weil wir finanzielle Budgets haben, die schon einmal größer waren." Da könne man nicht eine Planung immer wieder umschmeißen. Andere Gastronomen beklagen, dass sie Mitarbeiter verloren hätten, weil die sich andere Jobs suchen mussten. Vor einem Neustart brauche es Vorlauf, um neues Personal anzulernen. Auf Knopfdruck zu öffnen, sei nicht möglich. Klar sein müsse auch, dass der Ausgleich zwischen dem Ruhebedürfnis von Anwohnern und dem Bedürfnis nach einem Neustart in der Stadt dieses Jahr besondere Herausforderungen berge.

Parkgebühren zu erhöhen, sei ein falsches Signal, warnt ein Geschäftsmann

Aus dem Einzelhandel kommt verstärkt der Wunsch, dass Autofahrern der Zugang zur Innenstadt erleichtert werden müsse. Ulrich Mayer, Chef eines Ladens für Tabakwaren, warnt vor falschen Signalen etwa durch die Erhöhung von Parkgebühren. Einig sind sich die Geschäftsleute, dass gerade Kunden aus dem Umland dieses Jahr weiterhin eher das Auto als den öffentlichen Nahverkehr nutzen werden, um sich keinem Infektionsrisiko auszusetzen. Beim Parken, heißt es vonseiten einer Beratungsagentur der Stadt, laufe es auf eine Timingfrage hinaus: Man müsse es "bonifizieren" und einladend gestalten. Das gelte für 2021, im nächsten Jahr könne man dann wieder in die andere Richtung denken. In Augsburg regieren seit dem Frühjahr 2020 die Grünen mit, die den Individualverkehr ganz sicher nicht dauerhaft stärken wollen.

Der Kulturreferent der Stadt spricht von großen Herausforderungen, das Kulturleben wieder zu aktivieren. Er will wieder eine Freilichtbühne aufbauen und visiert unter anderem einen Kulturbiergarten an. Frank Pintsch ist als Ordnungsreferent dafür zuständig, zwischen Anwohnern und den Interessen der Geschäftsleute zu vermitteln. "Alles braucht Erlaubnisse und Genehmigungen", sagt er. Da es aber eine besondere Situation sei, kündigte er eine kulante und schnelle Genehmigungspraxis an, die sich im vergangenen Jahr bereits bewährt habe. Damals hat die Behörde auf die Schnelle auch mündliche Bescheide erteilt. Wenn ein Gastronom für dieses Jahr in seine Außenflächen investiere, verspricht Pintsch, gelte ein Investitionsschutz über mehrere Jahre. Dann müsse er im nächsten Jahr, wenn voraussichtlich nach überstandener Pandemie wieder die üblichen, strengeren Regeln gelten, nicht gleich wieder alles ändern.

"Wir wollen eine liberale Großstadt sein, aber auch kanalisieren", sagt Pintsch. Und wieder ein urbanes Lebensgefühl erzeugen. Dafür sei es wichtig, sagt Oberbürgermeisterin Weber in ihrem Schlusswort, dass Entscheidungen nicht nur "aus dem Elfenbeinturm Rathaus" heraus getroffen werden. Ihren Unmut haben Geschäftsleute jüngst oft an sie herangetragen. Nun galt ihr auch Dank, etwa vonseiten der IHK, die das Format der virtuellen Runde lobte: Dies sei vorbildlich.

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SZ vom 01.03.2021
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