Süddeutsche Zeitung

Aufklärung:Die Quote ist hoch

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Von Florian Fuchs

Wer in Bayern einen Menschen ermordet, kommt selten ungestraft davon. So viel ist sicher, betrachtet man die reinen Zahlen: Mordfälle eingerechnet, deren Tatort in Bayern nicht abschließend festgelegt werden konnte, wurden im Freistaat laut polizeilicher Kriminalstatistik in den Jahren 2010 bis 2019 insgesamt 1411 Mordfälle (davon 1010 Versuche) von Ermittlern bearbeitet - und 1360 Fälle aufgeklärt. Das ist eine herausragende Quote, und dennoch bleiben die sogenannten Cold Cases, in denen nie ein Täter ermittelt werden konnte.

Dabei kommt der Begriff "Cold Case" gar nicht aus dem Polizeijargon. Der ist, sagen Ermittler aus verschiedenen Präsidien, eher aus der Medienwelt in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Es gibt keine Klassifizierung, wann aus einem Fall ein Altfall wird, der zeitliche Horizont ist unterschiedlich: Die Ermittler versuchen alles, gehen allen relevanten Spuren nach, und wenn es dann keine aktuellen Ansatzpunkte mehr gibt, gilt ein Fall als ausermittelt - er kommt zu den Akten. Das gilt nicht nur für Mord, der strafrechtlich nie verjährt, sondern auch für andere Delikte. In den meisten bayerischen Polizeipräsidien liegen zwei bis drei Altfälle bei jedem Ermittler, die diese anlassbezogen wieder hervorkramen - wenn also beispielsweise die Kriminaltechnik einen Sprung macht oder wenn es neue Zeugenaussagen gibt.

Regional fällt die Statistik von Jahr zu Jahr unterschiedlich aus: Niederbayern etwa hat seit 2013 eine Aufklärungsquote von 100 Prozent. In Oberfranken dagegen wurden 2019 nur vier von sieben Mordfällen geklärt. Dabei gibt es trotz umfangreicher polizeilicher Statistik keine zuverlässige Zahl, wie viele ungeklärte Mordfälle es in Bayern insgesamt gibt. Das liegt daran, dass die Klärung eines Altfalls nicht gesondert statistisch erfasst wird, sondern in die Gesamtstatistik nachgemeldet wird: So ergibt sich teils für ein Jahr eine Aufklärungsquote von mehr als 100 Prozent. Zudem gibt es Mordfälle aus der Zeit vor Gründung der Bundesrepublik, wobei an Altfällen im Normalfall nur solange gearbeitet wird, wie es eine realistische Chance gibt, dass der Täter noch lebt - und somit gefasst werden kann.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2021
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