Süddeutsche Zeitung

Ansbach:Falscher Flüchtling wegen Bombendrohung gegen Kindergarten vor Gericht

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Von Olaf Przybilla, Ansbach

Der Angeklagte soll in einer Kindertagesstätte im mittelfränkischen Wolframs-Eschenbach angerufen und damit gedroht haben, dort werde eine Bombe detonieren, sollte er kein Geld bekommen. Er soll dies am nächsten Tag noch einmal wiederholt und diesmal damit gedroht haben, das Seniorenheim werde von einem Bombenanschlag betroffen sein. Und er soll jeweils mit verstellter Stimme und in gebrochenem Deutsch gesprochen und sich als Flüchtling ausgegeben haben.

Laut Anklage hat er beim ersten Drohanruf am 27. Januar 2016 gesagt: "Die Bombe ist in einer Tasche im Gebäude. Ich bin Flüchtling und mit eurem Umgang mit Flüchtlingen nicht einverstanden. Ich lasse nicht zu, dass mein Kind kaputt gemacht wird."

Seit Dienstag muss sich ein 29-jähriger Zimmermann wegen versuchter räuberischer Erpressung, Störung des öffentlichen Friedens und vorsätzlicher Körperverletzung am Schöffengericht in Ansbach verantworten. Und nein: Ein Flüchtling ist dieser Mann nicht, einen Migrationshintergrund hat er ebenfalls nicht.

Zu Beginn der Verhandlung räumt er ein, dass er es war, der zweimal im Kindergarten angerufen hat und dabei einmal Kindern und einmal Senioren in seinem Heimatstädtchen Wolframs-Eschenbach mit Bomben drohte. Die Frage ist nur, warum er das getan hat. Die ermittelnden Kommissare hat er bereits mit zwei höchst unterschiedlichen Wahrheiten bedient. Und in der Verhandlung hält er nun noch eine dritte bereit.

Die dritte Wahrheit, die Prozesswahrheit, lautet so: Es habe da einen Unfall seines Sohnes gegeben, der im Garten der Kindertagesstätte Fußball spielte. Etwa vor einem Jahr war das, der Fünfjährige brach sich einen Knochen im Oberschenkel und musste operiert werden. Als er zurückdurfte in den Kindergarten, habe er nicht gleich wieder an allen Veranstaltungen teilnehmen können, er saß zunächst noch im Rollstuhl.

Beide Erzieherinnen leiden seitdem unter Schlafstörungen

Beim Faschingsumzug zum Beispiel habe er daheim bleiben müssen. Was ihn als Vater besonders aufgeregt habe: "Dass niemand mal bei uns vorbeigekommen ist zu Besuch." Das, sagt der 29-Jährige, hätte er schon erwartet. Wo doch eine der Erzieherinnen nah an seinem Haus vorbeikomme auf dem Weg zur Arbeit.

Jedenfalls habe er den Erzieherinnen Angst einjagen wollen, immerhin habe er sich ja auch Sorgen um seinen Sohn gemacht. Warum er dann beim zweiten Anruf Senioren bedroht habe, will die Richterin wissen. Er habe den Eindruck gehabt, dass eine der Frauen auch mit dem Seniorenheim etwas zu tun habe, sagt er. Überhaupt habe er am Abend des ersten Anrufs den Eindruck bekommen, eine der Erzieherinnen sei eher ungerührt, deshalb habe er die Bedrohung erweitert.

Noch am Abend nach der ersten Bombendrohung hatte der 29-Jährige bei besagter Erzieherin geklingelt und hatte die Frau, die er noch kurz zuvor als angeblicher Flüchtling mit einer Bombe bedroht hatte, mit fürsorglichen Fragen eingedeckt. Was denn da los war im Kindergarten und ob es ihr gut gehe, wollte er wissen. Auffällig war das nicht: Er war ja Mitglied der örtlichen Feuerwehr. Beide Erzieherinnen leiden seit den Drohanrufen unter Angstgefühlen und Schlafstörungen, der 29-Jährige ist deshalb auch wegen Körperverletzung angeklagt.

Aber es gibt auch ganz andere Versionen über das Motiv des Angeklagten. Bei seiner Festnahme soll er gesagt haben: Er habe mal für "Action in Wolframs-Eschenbach" sorgen wollen. Deshalb habe er seiner Frau mitgeteilt, er gehe zur Arbeit, sei stattdessen aber zur Telefonzelle und habe beim Kindergarten angerufen.

Später, im Gespräch mit Kriminalpolizisten, hat der 29-Jährige dann noch eine andere Variante erzählt: Dass es mit den Flüchtlingen im Land und in Wolframs-Eschenbach so nicht weitergehen könne, und er sich deshalb überlegt habe, wie er dagegen vorgehen könne. Davon aber will er jetzt nichts mehr wissen. "Ich bin kein Ausländerfeind", sagt er. Und nein, Flüchtlinge habe er nicht anschwärzen wollen, das sei bestimmt nicht sein Motiv gewesen.

Im Übrigen habe der vernehmende Kommissar zu ihm gesagt, dass er das mit den Flüchtlingen besser nicht sagen solle - und habe ihm stattdessen geraten, lieber etwas vom Unfall seines Sohnes zu erzählen.

Die Staatsanwältin lächelt müde dazu. Ob es stimme, dass er in Vernehmungen detailliert einen Vorfall mit Asylbewerbern in einem Supermarkt geschildert habe. Das räumt der Angeklagte ein: Ja, da seien Äußerungen gefallen, die ihn irritiert hätten. Und ob es stimme, dass am Abend vor dem ersten Drohanruf Flüchtlinge an seinem Haus entlang gekommen seien, ihm da der Vorfall im Supermarkt wieder eingefallen sei, er nachts wach gelegen und überlegt habe, was er "gegen Flüchtlinge" unternehmen könnte. Davon will der Angeklagte nun nichts mehr wissen. "Ich liege öfters wach", sagt er, "aber bestimmt nicht wegen die Flüchtlinge." Das Urteil wird für Dezember erwartet.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2016
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