Süddeutsche Zeitung

Umwelt:"Man muss sich entscheiden: Almen oder Wölfe"

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Von Christian Sebald, München

Der "Aktionsplan Wolf", so hat es Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor knapp einem Jahr angekündigt, soll "ein Beitrag zur Versöhnung im ländlichen Raum" sein. Denn wenn es um die Rückkehr der Wölfe in den Freistaat geht, kochen sofort die Emotionen hoch. Die Naturschützer freuen sich, dass sich die vor 150 Jahren ausgerotteten Raubtiere wieder ansiedeln. Die Bauern sind aus Furcht um ihre Rinder und Schafe auf den Weiden strikt dagegen. Und die Jäger sorgen sich um das Rotwild. Anfang der Woche wird nach Informationen der SZ nun der Aktionsplan Wolf veröffentlicht. Er soll den Umgang mit den Raubtieren regeln. Von einer Versöhnung, wie von Söder versprochen, ist keine Spur. Nicht nur die Naturschützer, sondern auch die Bauern und die Jäger lehnen das Papier strikt ab. Besonders enttäuscht sind die Almbauern.

Dabei wollte es Söder mit dem Aktionsplan doch vor allem ihnen recht machen. Die Almbauern verlangen schon seit Jahren lautstark "wolfsfreie Gebiete" - Regionen also, in denen Wölfe nichts zu suchen haben und abgeschossen werden dürfen, sowie einer dort auftaucht. Aus ihrer Sicht sollte der Freistaat am besten die ganzen bayerischen Alpen als wolfsfreies Gebiet definieren. Denn, so sagt der Vorsitzende des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern, Georg Mair aus Gaißach, ein ums andere Mal, "in den Bergen können wir unsere Nutztiere nicht vor dem Wolf schützen". Für Schutzzäune seien die Almen meist zu steil und unwegsam. Und Herdenschutzhunde, wie von Naturschützern verlangt, könne man allein wegen der vielen Wanderer nicht einsetzen. "Ein Miteinander zwischen Almwirtschaft und Wolf kann es nicht geben", sagt Mair. "Man muss sich entscheiden: Almen oder Wölfe."

Ministerpräsident Söder teilt die Einschätzung. "Die Almen in Bayern sind bisher auch ohne den Wolf ausgekommen", sagte er wiederholt. Auch CSU, Freie Wähler und AfD sind gegen die Rückkehr der Wölfe. "Einen Lebensraum für große Beutegreifer gibt es hier nicht mehr", sagte der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Steiner kürzlich. Wer von einem Zusammenleben von Wölfen und Tierhaltern ausgehe, lebe mit einer Lebenslüge. Nikolaus Kraus (FW) hält eine Koexistenz von Wölfen und Weidetierhaltern ebenfalls nicht für möglich. Und der AfD-Mann Ralf Stadler erklärte kategorisch: "Der Wolf gehört bejagt."

Dabei steht die Forderung nach wolfsfreien Gebieten in krassem Widerspruch zum deutschen und zu europäischen Naturschutzrecht. Wölfe sind strengstens geschützt und dürfen nur in absoluten Ausnahmen gejagt werden. Etwa wenn ein Wolf so wenig Scheu vor Menschen hat, dass er eine Gefahr für deren Leib und Leben darstellt. Oder wenn einer so viele Rinder oder Schafe reißt, dass die Halter in Existenznot geraten. Aber selbst in solchen Fällen kann ein Abschuss erst nach genauer Prüfung genehmigt werden.

Das hat auch die Staatsregierung einsehen müssen. Von den wolfsfreien Gebieten heißt es in ihrem Aktionsplan nur noch, dass ihre Ausweisung "rechtlich unzulässig wäre". Dafür ist nun von "nicht schützbaren Weidegebieten" die Rede. Damit sind Almen gemeint, auf denen aus Sicht der Staatsregierung ein Schutz der Nutztiere vor Wölfen unmöglich ist oder der Aufwand dafür zu hoch wäre. In solchen Gebieten sollen künftig Wölfe bereits abgeschossen werden dürfen, wenn sie sich nur "wiederholt" Nutztieren nähern.

"Wenn diese Denke Schule macht, ist es vorbei mit dem Schutz der Wölfe"

Für viele Naturschützer, aber auch Fachjuristen sind "nicht schützbare Weidegebiete" nur ein neuer Name für die vormaligen "wolfsfreien Gebiete" und damit unvereinbar mit dem strikten Wolfsschutz und dem Naturschutzrecht. Peter Blanché von der "Gesellschaft zum Schutz der Wölfe" hat bereits eine Klage angekündigt, sollte einmal in einem nicht schützbaren Weidegebiet ein Wolf zum Abschuss freigegeben werden. "Wir werden den Aktionsplan auf keinen Fall akzeptieren", sagt er. "Wenn diese Denke Schule macht, ist es vorbei mit dem Schutz der Wölfe." Aber auch die Bauern sind sehr unzufrieden. "Die seit Jahren von der Land- und Forstwirtschaft eingebrachten Anliegen werden ignoriert oder mit weichgespülten unwirksamen Forderungen abgehandelt", heißt es harsch in einer Resolution. Der Aktionsplan müsse "dringend überarbeitet werden".

Derweil halten sich die Schäden durch Wolfsrisse weiter in Grenzen. 2018 haben Wölfe im Freistaat fünf Schafe und drei Kälber getötet, 2017 waren es vier Lämmer, 2016 gab es ein totes und ein verletztes Schaf. Derzeit gibt es im Freistaat drei Gebiete mit Wolfspaaren oder -rudeln: im Veldensteiner Forst, auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr und im Nationalpark Bayerischer Wald. Freilich werden immer öfter durchwandernde Jungwölfe gesichtet - zuletzt Ende Februar je einer im oberbayerischen Kreis Traunstein und im oberpfälzischen Neustadt an der Waldnaab.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2019
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