Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Miazgas Spezialbrille

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Gewagte Thesen sind durchaus ein Erkennungszeichen so mancher AfD-Politiker. Was allerdings der Partei-Chefin zu Faceshields der Firma Baumüller Services einfällt, geht schon stark in Richtung Aluhüte

Kolumne von Lisa Schnell

In einem ihrer Youtube-Videos trägt Corinna Miazga eine recht große Brille mit durchsichtigem Gestell. Zunächst wundert man sich, ob das wohl das gleiche Modell ist, das einem vor Jahren im Chemieunterricht die Frisur versaut hat. Je länger man der AfD-Landeschefin aber zuhört, drängt sich ein anderer Verdacht auf. Haben nicht gerade einige Menschen Aluhüte auf dem Kopf, um "freier denken" zu können? Will Miazga mit ihrer Schutzbrille vielleicht einen ähnlichen Effekt erzeugen?

Ihre Thesen zumindest sind von der Sorte, die sich am besten unter Alu herausbildet und damit in den Köpfen von jenen metalltragenden Leuten, die gerade gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Eine Gruppe übrigens, die von der AfD als ihr neues Protestwähler-Klientel ausgemacht wurde, an das sich Miazga nun offenbar wendet. Sie erzählt von "Faceshields" und nein, sie meint nicht ihre Brille, sondern den Plastikschirm, den einige sich derzeit an die Stirn heften und ein wenig wie Imker aussehen. Der Schirm aber soll nicht gegen Bienen, sondern gegen Corona schützen, klärt Miazga auf. So weit, so richtig.

Genau wie die Feststellung, dass die Firma Baumüller Services angekündigt hat, solche Faceshields herzustellen und diese von einer Frau geleitet wird, die mit einem Mann namens Markus Söder verheiratet ist, der Bayerns Ministerpräsident ist. Drei Fakten, die unbestritten sind. Nun aber fängt Miazga an, zwischen ihnen in bester Aluhut-Manier Zusammenhänge zu konstruieren, die offenbar nur mit einer Extra-Brille zu sehen sind. Warum Söder so vehement an der Maskenpflicht festhält? Wegen Corona etwa, diesem tödlichen Virus? Pah! Ein "Söder'sches Geschäftsmodell" sei das, schreibt Miazga. Schließlich verdiene seine Frau an der Maskenpflicht! Nur blöd, dass sie es nicht tut. Von den 210 Plastikschirmen seien 200 gespendet und der Rest an Mitarbeiter verteilt worden, teilte die Firma mit. Der damit gemachte Verdienst? Null Cent. Um das klar zu stellen, schaltete Söder einen Anwalt ein und Miazga findet das: sehr verdächtig! Dass Söder derart "ausflippt" spreche doch Bände. Was in diesen Bänden mehr steht, als dass ein Mann gegen Falschaussagen vorgeht? Um das zu erkennen, braucht es wohl eine ganz spezielle Brille.

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Quelle:
SZ vom 05.06.2020
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