Süddeutsche Zeitung

Verkehrsrecht:Wie absolut ist ein Halteverbot?

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Von Heribert Prantl

Der Sommer ist die Zeit der Straßenfeste. Zu einem Straßenfest gehören nicht nur Bierbänke, Biertische, Bierfässer, Sonnenschirme und Wurstbuden, sondern auch Verkehrszeichen - genauer gesagt die Verkehrszeichen Nummer 283 nach Anlage 2 zu Paragraf 41 Straßenverkehrsordnung. Ohne diese Schilder, die vorübergehend ein absolutes Halteverbot anordnen, geht bei einem Straßenfest gar nichts, nicht einmal die Aufbauarbeit.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte jetzt Gelegenheit, sich mit den Anforderungen zu befassen, die an diese Schilder zu stellen sind. Die deutsche Justiz wäre nun nicht die deutsche Justiz, wenn es dabei nicht um die Auslegung eines Grundsatzes gegangen wäre, dem sogenannten Sichtbarkeitsgrundsatz.

Wie hoch müssen Straßenschilder hängen?

Es leuchtet ein, dass das Verkehrsschild sichtbar sein muss, sonst kann es ja seinen Zweck nicht erfüllen. Und ebenso einleuchtend ist, dass ein Fahrer, dessen Auto abgeschleppt wird, sich darauf beruft, dass er kein Schild gesehen habe. Also mussten die Bundesverwaltungsrichter in Leipzig klären, ob es stimmte, was im "Umsetzungsprotokoll" (dem Protokoll über die "Umsetzung", also das Abschleppen des Autos) stand: "Halteverbot auf beiden Straßenseiten deutlich erkennbar". Der konkrete Fall betraf ein Straßenfest in Berlin am "11.9. 2010, 6 - 22 Uhr". So stand es auf dem Zusatzschild zum absoluten Halteverbot.

Nach den richterlichen Feststellungen war die gesperrte Straße hundert Meter lang und die Verkehrszeichen standen am Anfang, am Ende und in der Mitte dieser Strecke, auf beiden Seiten; allerdings womöglich nur in einer Höhe von 1,3 bis 1,5 Metern. Verkehrszeichen sind üblicherweise höher angebracht.

Die Sache veranlasste jedenfalls die Verwaltungsrichter zu einigen grundsätzlichen Feststellungen. Erstens: An die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr sind niedrigere Anforderungen zu stellen als an solche, die den fließenden Verkehr betreffen. Soweit waren sich alle befassten Instanzen einig.

Ein "Rundumblick" genügt

Aber dann kam die Streitfrage: Besteht "anlasslos" eine "Nachschaupflicht des Verkehrsteilnehmers nach dem Vorhandensein von Halteverbotszeichen"? Das Oberverwaltungsgericht Berlin war dieser strengen Ansicht und verlangte "gegebenenfalls", dass der Autofahrer "vom Abstellort eine gewisse Strecke nach beiden Richtungen abzuschreiten" habe.

Das "gegebenenfalls" aber war dem Bundesverwaltungsgericht zu unklar und das Ansinnen im Übrigen, auch im Wortsinn, zu weitgehend. Verkehrszeichen müssten so aufgestellt sein, dass sie "mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfasst werden können. Die Bundesverwaltungsrichter meinten also, dass ein einfacher "Rundumblick" nach dem Abstellen des Fahrzeugs genügen müsse - es sei denn, die Sichtverhältnisse seien durch Lkws oder schlechtes Wetter beeinträchtigt.

Alles klar? Noch nicht ganz. Die obersten Richter in Leipzig verwiesen den Fall zu genaueren Feststellungen an die Richter in Berlin zurück. Es soll dort endgültig geklärt werden, ob die Halteverbotsschilder bei einem einfachen Rundumblick nach dem Einparken zu sehen waren oder nicht (BVerwG 3 C 10/15, publiziert soeben in der Neuen Juristischen Wochenschrift).

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SZ vom 10.08.2016
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