Süddeutsche Zeitung

Verkehr: Alkoholtest:Röhrchen reicht

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Nur Deutschland und die Schweiz bestehen noch auf medizinischen Blutalkoholtests. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen schlägt jetzt vor, diesen Bluttest bundesweit abzuschaffen.

Bernd Dörries

Die Skandinavier gelten in vielen Bereichen als Vorbild, sie haben ein gutes Bildungssystem, einen feinen Nahverkehr und ein großes Möbelhaus. Die Skandinavier sind aber auch nach wie vor führend in Sachen Alkoholkonsum. Sie reden wenig, trinken aber recht viel.

Es gibt im Norden also einen Markt für den neuen Volvo, den man nur starten kann, wenn man davor ins Röhrchen bläst. Die Alkomat-Technik hat sich sehr verbessert in den vergangenen Jahren, sie ist so präzise geworden, dass die Wissenschaft sich einig ist: Der Blutalkoholtest ist eigentlich überflüssig.

Ingo Wolf, der FDP-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, schlägt seinen Kollegen aus den Justizressorts der anderen Bundesländern vor, den Bluttest bundesweit abzuschaffen. Fast 120.000 Mal werde jährlich in Deutschland die Nadel angesetzt, obwohl es einfacher gehe. "Die Technik ist so weit, dass wir kein Blut abnehmen müssen", sagt Wolf und hat dabei die Unterstützung der Polizei.

Nordrhein-Westfalen hat bisher - um es vorsichtig zu sagen - sehr gemischte Resultate in der Verkehrspolitik vorzuweisen. Minister Oliver Wittke (CDU) musste zurücktreten, weil er mit 109 Stundenkilometer durch die Dörfer raste. Für die FDP und den Minister Wolf zählte die Verkehrspolitik lange nicht zu ihren Kernkompetenzen.

Da es um die Kompetenzen der Liberalen gerade ohnehin nicht gut bestellt ist, hat Wolf die Abschaffung der Tests zu einer liberalen Grundsatzfrage gemacht - es gehe um das Verhältnis zum Bürger und seinem Blut. "Der Staat muss sich zurückhalten, rechtsstaatlich spricht vieles dafür, die mildere Methode zu wählen", sagt Wolf.

Blasgeräte kann man sich mittlerweile auch für den Hausgebrauch günstig anschaffen. In manchen Kneipen steht ein Alkomat, in Gebieten wie der Düsseldorfer Altstadt sind als Polizistinnen verkleidete Frauen unterwegs, die das Röhrchen herumreichen. Wobei es dabei eher darum geht, den möglichst höchsten Wert zu erreichen.

Außer in Deutschland wird nur noch in der Schweiz so konsequent Blut abgenommen. Der Alkomat hat sich in den anderen Ländern durchgesetzt. In Wien werden mittlerweile auch die Fiaker-Fahrer kontrolliert.

Nach einer Gesetzesverschärfung im Jahr 2007 dürfen Fahranfänger in Deutschland gar keinen Alkohol trinken. Danach gilt die 0,5 Promillegrenze, die als Ordnungswidrigkeit geahndet wird - mit Geldstrafe und Punkten in Flensburg. Ab 1,1 Promille kommt man in den Bereich des Strafrechts, von diesem Wert an wird das Blut abgenommen.

Um in die Vene stechen zu dürfen, braucht es einen richterlichen Beschluss. In manchen Kommunen wurde ein Richter-Nachtdienst eingerichtet, in anderen nicht. "Die Justiz ist ohnehin überlastet und hat Wichtigeres zu tun", sagt Wolf. Die CDU hat vor kurzem einen Vorstoß gemacht, das Verfahren zu vereinfachen, den Richtervorbehalt abzuschaffen. Der FDP ist das zu grundlegend, sie will lieber den Alkoholtest auslaufen lassen.

Der ADAC hält das für keine gute Idee. "Wir brauchen ganz genaue Werte, es geht um Fahrverbote und persönliche Konsequenzen", sagt ein Sprecher des Autoverbandes. Auch die Gerichtsmedizin ist zurückhaltend, sie verdient recht gut mit den Tests. Über die Jahren haben sich Mythen gebildet, wie die Alkomaten zu überlisten seien. Manche glauben, dass Knoblauch helfe, andere wollen mit einer speziellen Atemtechnik Erfolg gehabt haben. Alles Unsinn, sagt der Innenminister. Die Technik erkenne auch den geübten Trinker.

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SZ vom 02.01.2011
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