Süddeutsche Zeitung

Test Suzuki Jimny:Ansturm auf den robusten Zwerg

Lesezeit: 5 min

Viele fürchteten, der neue Jimny würde der nächste weichgespülte SUV. Doch er ist ein echter Geländewagen geblieben. Nicht nur deshalb rennen Kunden den Suzuki-Händlern die Bude ein.

Von Jörg Buschmann

Leiterrahmen, Starrachsen, der gehört echt ins Gelände". Der Nachbar, von Beruf Automechaniker, kommt unter dem Auto hervorgekrochen, will dann den Motor sehen. "Rustikal - wird man wohl überall reparieren können". Dann setzt er sich hinters Steuer guckt sich einmal um: "Bärig!". Und damit ist der ansonsten eher nüchterne Mensch ein gutes Beispiel für die Aufregung, die der neuen Jimny von Suzuki seit den ersten Erlkönig-Fotos ausgelöst hat.

Den Jimny gibt es seit 1998 , ein winziger, aber echter Geländewagen, der anfangs zwar auch vor der Eisdiele zu sehen war, sich dann aber erfolgreich die Nische erkämpft hat, für die er ursprünglich entwickelt wurde. Unter Berghüttenbesitzern, Förstern, Landwirten und Hausmeistern wurde der Wagen zum gefragten Werkzeug. Leicht und kurz, kommt überall hin. Da verkraftete man auch ein Auto, das nur bedingt autobahntauglich und im Innenraum enorm laut war. Und schmal war der Wagen, so schmal, das eine Fahrt mit wildfremden Menschen beklemmend sein konnte.

Dafür war der Jimny bei Erwerb und Unterhalt preiswert. Was übrigens eine Voraussetzung für ein echtes Geländeauto ist. Wer das Geräusch kratzender Äste auf Metallic-Lack hasst, die Alufelgen ungern an Steinen vorbei schabt und sich um die Achsgelenke sorgt, während er durch den Schlamm pflügt, sitzt in einem 70 000 Euro teuren SUV einfach im falschen Fahrzeug. Nach über 20 Jahren Produktionszeit fürchteten die meisten Jimny-Besitzer, der Nachfolger werde auch so ein weichgespültes SUV-Citycrossover-Dingsbums werden. Also lieber noch schnell einen alten anschaffen. Für Suzuki keine schlechte Situation. Auch ohne viel Marketingedöns hat sich das Auto weltweit anständig verkauft.

Dann kam alles ganz anders. Das erste Gerücht zum Neuen: Das Auto wird wieder einen Leiterrahmen haben. Dies ist die konstruktive Voraussetzung für ein echtes Nutzfahrzeug. Alle Antriebselemente sitzen in diesem stabilen Rahmen und darauf wird die Karosserie gestellt. Das sorgt für ein rustikaleres Fahrverhalten, ermöglicht aber die Stabilität, die häufige Geländefahrten überhaupt erst möglich machen. Im Gegensatz dazu reibt sich ein SUV mit selbsttragender Karosserie im Arbeitseinsatz einfach auf. Solche Autos werden nur fürs Reklamefotos in den Wald oder auf den Berg gestellt.

Das zweite Gerücht: Es wird wieder eine Untersetzung fürs Gelände geben. Dann kam das erste Foto. Und es gab kein Halten mehr: Ein Geländeauto, so gerade und kantig, geradezu klassisch. Wenn ein Kind einen Geländewagen zeichnet, sieht er so aus. Bei Suzuki scheint keiner mit soviel Begeisterung gerechnet zu haben. Schon beim Verkaufsstart in Japan war der Ansturm so hoch, dass schnell lange Lieferfristen von bis zu zwei Jahren entstanden. In Deutschland wurde Händlern, die einen Vorführer hatten, sprichwörtlich die Bude eingerannt.

Aber ist ein so spezialisiertes Auto auch alltagstauglich? Dass es geländetauglich ist, lässt sich sofort abhaken. Der neue schlägt den alten hier um Längen und man findet legal wohl kaum eine Stelle, durch die sich das nur 3,64 Meter lange Auto nicht wühlt: Untersetzung rein ( jetzt wieder mit einem rustikalen Hebel einzulegen), Gas geben (die Drehzahl wird im Kriechgang ganz leicht angehoben) und darauf vertrauen, dass der kleine Motor das leichte Auto schon rausziehen wird. 21 Zentimeter Bodenfreiheit reichen für tiefe Furchen, und die Überhänge sind vorne wie hinten so kurz, dass erstaunliche Rampenwinkel möglich sind.

Aber auch der Jäger oder Berghüttenbesitzer fährt die meiste Zeit auf der Straße. Und genau dort fährt sich das Auto jetzt verblüffend gut. Man nimmt Platz auf einfachen, an Gartenmobiliar erinnernde, aber nicht gänzlich unbequeme Sitzen. Stellt flink (es gibt nicht viel zu verstellen) eine irgendwie passende Sitzposition ein, freut sich über die gute Übersicht in dem hohen Auto und fährt ohne die Bedienungsanleitung zu lesen gleich los, indem man den langen Ganghebel, der tatsächlich in einem Zieharmonikabalg endet, mit leichtem Nachdruck einlegt.

Der Zwerg hängt beherzt am Gas, lässt sich drehfreudig beschleunigen, die Gänge werden mit Gespür für die Mechanik geradezu lässig über den langen Hebel eingeworfen, die Lenkung ist ausreichend präzise, will aber ständig bedient werden. Und so fährt man gut beschäftigt und alles andere als autonom dahin, begleitet vom ständig leicht mahlenden Geräusch des Antriebsstrangs.

Das macht viel Spaß und man hat das Gefühl, durchaus agil unterwegs zu sein. Bis man bei einem quälend langen Überholvorgang von den Fakten eingeholt wird. Die 102 PS des Benziners machen auch aus dem leichten Jimny keinen Sportwagen, Suzuki gibt nicht einmal einen Wert für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h an. Warum auch, die Stärken liegen ja woanders und gefühlt kommt keine Langeweile auf.

Das liegt auch am gelungenen Innenraum. Dort dominiert zwar preiswertes Hartplastik (der Jimny startet schließlich auch schon bei 17 519 Euro), aber ohne minderwertig zu wirken. Die Schalter fühlen sich gut an, die Instrumente lassen sich klar ablesen, der Beifahrer freut sich über einen Haltegriff im Armaturenbrett. Nur Ablagen gibt es so gut wie keine. Das kleine Handschuhfach ist komplett mit der Bedienungsanleitung gefüllt. Und in die Seitentaschen an den Türen, passt kaum die Sonntagszeitung. Nur die obligatorischen Becherhalter gibt es in diesem Waldschrat natürlich auch.

Und wer von den zwei erhältlichen Varianten die etwas teurere nimmt, bekommt auch ein bildschirmgesteuertes Audiosystem mit Navigation. Serienmäßig erkennt der Jimny Verkehrszeichen (meistens) und zeigt diese im Display an, unterstützt bei Notbremsungen und lässt das Lenkrad beim Verlassen der Spur vibrieren.

Erstaunlicherweise ist der neue Jimny etwas kürzer als der alte. Suzuki scheint sich daher für eine Entweder-Oder-Strategie entscheiden zu haben: Entweder fahren vier Personen ohne Gepäck mit, oder zwei mit Gepäck. Im Alltag nutzt man den Wagen also als Zweisitzer, dann ist auch der Gepäckraum mit maximal 830 Litern in Ordnung. Für Notfälle kann man das Hochklappen der Rückenlehnen im Gepäckabteil anbieten. Diesen Platz erreicht man allerdings nur über die Beifahrertür und mit erheblichem Geschick. Das der Beifahrersitz sich so umlegen lässt, das vom Heck bis zum Armaturenträger durchgeladen werden kann, ist ein weiterer kleiner Hinweis, mit wie viel Ernsthaftigkeit die Entwickler versucht haben, aus dem vorgegebenen Rahmen (Preis und Größe), das Maximum herauszuholen.

Dass ein schmales, leichtes, aber hohes Auto auf deutschen Autobahnen nicht optimal aufgehoben ist, liegt nahe. Aber auch dort macht der Jimny seine Sache nicht schlecht. Sofern es keinen Seitenwind gibt und man den Gasfuß im Zaum hält. Suzuki gibt als Maximaltempo 145 km/h an, der Testwagen läuft leicht 170. Da ist dann aber die Hölle los und man findet leicht auf den Weg der Tugend zurück.

Zufriedenheit stellt sich dann wieder bei 120 km/h mit eingeschaltetem Tempomat und aufgedrehtem Radio auf der rechten Spur ein. Jetzt könnte man darüber jammern, dass es keinen sechsten Gang gibt. Wirklich vermisst wird der aber nur bei der deutschen Raserei. Suzuki hat das Auto als Weltauto konzipiert. Und überall sonst bremst ein Tempolimit den Geschwindigkeitsrausch. Fährt man so, wie der Rest der Welt, freut man sich über das weiten Drehzahlband des fünften Ganges.

Auch in der Stadt macht das Auto Spaß. Der kleine Wendekreis, die gute Übersicht und die hohe Sitzposition sind nicht nur im Wald von Vorteil. Dass der Jimny kurz und eckig ist, erleichtert die Parkplatzsuche ungemein. Weniger erfreulich sind die Folgen, die der weltweite Einsatz des einzig erhältlichen Motors hat. Da er mit jeder Spritqualität zu Recht kommen muss und die Reparatur überall möglich sein soll, standen Verbrauchswerte und CO₂-Ausstoß offenbar nicht sehr weit oben im Lastenheft. Im Durchschnitt pendelte sich die Verbrauchsanzeige bei 7,4 Litern ein. Der CO₂-Ausstoß wird vom Hersteller mit 154 g/km angegeben, mit Automatikgetriebe sind es sogar 170 g/km. Geländewagen hin oder her, für ein so kleines Auto ist das zu viel.

Wer dem knuffigen Charme des Jimny erliegt, sollte sich also prüfen. In den Grenzen, die das Konzept des Fahrzeuges setzt, kann man mit Spaß unterwegs sein. Und wem würde eine automobile Neuerscheinung einfallen, die für vergleichsweise wenig Geld so viel Charakter mitbringt? Wer nie ins Gelände muss, versäumt freilich die eigentliche Attraktion des Autos.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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