Süddeutsche Zeitung

Sport-Limousinen im Vergleich:Diesen Luxus-Flundern fehlt der letzte Schliff

Lesezeit: 4 min

Die neuen Coupé-Limousinen VW Arteon und Peugeot 508 wollen schick, sportlich und funktional sein - und reichen doch nicht an Premium-Konkurrenten heran.

Von Joachim Becker

Noch hat die SUV-Welle nicht alle anderen Karosserievarianten überrollt. Aber die klassische Limousine ist außer in China bereits so gut wie tot. Als eine der letzten Bastionen gegen aufgeblasene Hochdachautos bleiben platt gebügelte Schönlinge wie der VW Arteon. Die Schräghecklimousine hat das VW-Flaggschiff Phaeton beerbt - zusammen mit dem Touareg, der stolze 30 Zentimeter höher ist. Mit etwas Offroad-Lametta macht der SUV auf Abenteurer, während der Arteon den eleganten Sportler gibt. Doch das sind alles nur Attitüden, denn beide werden hauptsächlich auf dem Großstadtboulevard bewegt.

Peugeot hat seine Toplimousine ebenfalls sechs Zentimeter tiefer gelegt. Mit 1,40 Metern ist der neue 508 noch flacher als der Arteon und das gemeinsame Vorbild Mercedes CLS. 2003 hatten die Stuttgarter mit ihrer ersten luxuriösen Flunder ein neues Fahrzeugsegment geschaffen: Die Eleganz und die rahmenlosen Türen eines Coupés in Verbindung mit dem Komfort und der Funktionalität einer Limousine. Ein Auto, das den Fahrer jünger, entspannter und genussfreudiger wirken lässt als eine S-Klasse: Offenes Hemd statt Schlips und Anzug sozusagen. Sollen die anderen doch schauen, wie sie sich unter dem niedrigen Dach im Fond einfädeln. Akrobatisch wird diese Übung, wenn sich die riesigen Coupé-Türen in engen Parklücken nur einen Spalt weit öffnen lassen. Drinnen finden vier Erwachsene bequem Platz, im "lediglich" 4,75 Meter langen 508 wird es schon enger. Das ist der Fluch der flachen Form.

Natürlich hat Mercedes die Schräghecklimousine nicht erfunden, sondern frech über die Alpen geschaut. Seit den 50er-Jahren entwickelten sich unter den italienischen Sportwagenschönheiten auch einige GT-Modelle. Zweitürer mit Heckklappe, die mit ihren sanft abfallenden Dachlinien auch heute noch erstaunlich schlank und stilbildend sind. Weil sie auf Langstreckenfahrten eingesetzt wurden, waren die "Gran Turismos" ein bisschen komfortabler abgestimmt. Die fließenden und kraftvoll gestreckten Formen nannten die Italiener "Bella Figura". Was beileibe nicht nur eine Bikinifigur meint, sondern auch eine lässig entspannte Grundhaltung.

Deutsch-französische Zwillinge? Die Frontansichten täuschen, in Wirklichkeit sind der neue Peugeot 508...

...und der VW Arteon klar unterscheidbare Charaktere. Der Franzose wirkt innen mehr wie ein Raumschiff, während der bravere VW wirklich eines ist - aufgrund des deutlich größeren Platzangebots.

An diesem Coolness-Faktor müssen sich heutige Coupés jeder Couleur messen. Doch was, wenn plötzlich lauter Flundern (außer den unvermeidlichen SUVs) nebeneinander in der Tiefgarage stehen? Es droht eine gewisse Verwechselbarkeit, der die neuen Viertürer ja gerade entkommen wollten.

Die Front des Peugeot 508 erinnert an das Monza-Konzept, das Opel 2013 auf der IAA gezeigt hat. Das wäre im Prinzip kein Problem, wenn der Peugeot mit seinen Säbelzahnlichtern an den beiden Seiten des Kühlermauls nicht so aussehen würde, wie wir uns einen Opel immer gewünscht hätten. Macht nichts, gehört ja jetzt zum selben PSA-Konzern, zumal der Franzose mit einer leicht überspannten Seitenlinie den Bogen genauso raus hat wie CLS und Arteon. Der VW gibt sich mit seinem riesigen Lamellenkühler noch aggressiver und besonders im Schulterbereich der C-Säulen noch muskulöser, während der Peugeot am Ende etwas nüchtern und schüchtern wirkt.

Autos mit rahmenlosen Scheiben versprechen Individualität, sie wollen sich von gewöhnlichen Limousinen absetzen und den Fahrer mit entspannter Großzügigkeit schmücken. Moderner und selbstbewusster als ein Passat wirkt der Arteon allemal, obwohl er mit ihm eng verwandt ist. Aber wie das so ist mit der buckeligen Verwandtschaft: Der Arteon wäre ohne seine Baukastenbrüder teurer, gerade deshalb muss er jede Familienähnlichkeit so gut wie möglich überspielen. Der Grat zwischen elegantem Verwöhnaroma, neuen Proportionen und praktischer Vernunft ist schmal, jeder stilistische Fehltritt kann sich rächen.

Das Gegenteil von Bella Figura ist nämlich ein Möchtegernauftritt, der in spöttischem Gelächter endet. Der Peugeot 508 ist nicht ganz frei von Stilblüten. Mit einer extrabreiten Mittelkonsole macht er zum Beispiel auf dicke Hose. Bei einem Fronttriebler ist der Sportwagen-Getriebetunnel aber völlig sinnfrei. Ein Gimmick ist auch der Drehzahlmesser, der gegenläufig zum Tacho dreht. In Verbindung mit den tiefen Sportsitzen, der hohen, schmalen Fensterlinie und dem kleinen, unten abgeflachten Lenkrad sammelt er Versatzstücke aus der Motorsportgeschichte. Das hat einen gewissen Wiedererkennungswert, wirklich originell ist es nicht.

In der Fahrpraxis sind weder der Peugeot noch der VW für schnelle Rundenzeiten gemacht. Dafür sind sie viel zu kommod gefedert, also eher Langstreckenrenner für die große (Ferien-)Tour. Man ahnt es, wenn der Anlasserknopf laut nagelnde Allerweltsdiesel zum Leben erweckt. Bei beiden Modellen bleibt der Ölbrenner auch nach der Warmlaufphase unangenehm präsent. Beim Arteon gesellt sich bei schneller Autobahnfahrt ein dumpfes Wummern der nicht ganz so steifen Karosserie hinzu.

Der VW Arteon klingt wie ein Vertreterauto

Deutsch-französische Zwillinge? Die Frontansichten täuschen, in Wirklichkeit sind der neue Peugeot 508...

...und der VW Arteon klar unterscheidbare Charaktere. Der Franzose wirkt innen mehr wie ein Raumschiff, während der bravere VW wirklich eines ist - aufgrund des deutlich größeren Platzangebots.

Es mag Jammern auf hohem Niveau sein, denn natürlich sind die Diesel sparsam und durchzugsstark. Aber ein Arteon, der wie ein Vertreterauto klingt, wirkt auf Coupé-Fahrer nicht gerade attraktiv. Gemischte Gefühle hinterlässt auch das DSG-Getriebe: Die Automatik reagiert spät und schaltet mitunter ruppig. Beim Peugeot ruckelt es ebenfalls im Antriebsstrang, beim Runterschalten nicken die Passagiere unfreiwillig mit dem Kopf. Die feine Art, die man von Premium-Coupés wie dem CLS kennt, ist das nicht.

Früher gab es Rabattmarken im Konsum. Heute suchen viele Leute eher Bonuspunkte für den kleinen alltäglichen Genuss. Volllederausstattungen, große Räder und eine Heerschar von Assistenten sind hilfreich, aber noch kein echtes Unterscheidungsmerkmal. Die Verwöhnmomente entstehen dann, wenn die Technik so mühelos und perfekt funktioniert, dass sie ihren Fahrer wirklich entspannen lässt.

Das Gegenteil sind Abstandstempomaten mit Billigsensoren, die im Stadtverkehr sekundenlang herumrechnen, bevor sie die Lücke zum Vordermann schließen können - in die dann schon längst jemand eingeschert ist. Indiskutabel sind mittlerweile auch die Verkehrsschilderkennung des Arteon und 508, die regelmäßig falsche Tempolimits anzeigt, oder die Sprachbediensysteme, die an jeder zweiten Zieleingabe scheitern. Da können die Volumenmarken ihre Herkunft nicht verheimlichen. Durchschnitt eben.

So groß der Designfortschritt für die beiden Marken mit den Schräghecklimousinen auch sein mag: Technisch bieten Arteon und 508 nichts, was in der gehobenen Mittelklasse nicht bekannt wäre. Dafür sind die Testwagenpreise von rund 50 000 Euro für den 508 GT-Line mit 120 kW (160 PS) und stolze 65 000 Euro für den noch hochwertiger ausgestatteten Arteon R-Line 4 MOTION 2,0 l TDI mit 140 kW (190 PS) happig. Wer schön sein will, muss eben leiden.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2018
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