Süddeutsche Zeitung

Seat Minimó:Platz ist in der kleinsten Lücke

Lesezeit: 3 min

Einfacher Akkutausch, genügend Reichweite: Der Seat-Kleinstwagen kann eine Mobilitätsalternative für die Stadt sein - zunächst aber wohl nur für Carsharing-Anbieter.

Von Joachim Becker

Kleinstwagen haben im Mittelmeerraum eine lange Geschichte: Der erste Fiat 500 war 1936 auch nicht mehr als ein überdachter Motorroller. Dass Seat in Barcelona einen neuen Hüpfer für die urbane Mikromobilität vorstellt, ist deshalb kaum verwunderlich. Überraschender ist eher der Ort der Premiere: Die spanische Volkswagen-Tochter präsentiert ihren Minimó auf dem Mobile World Congress. Europas größte Mobilfunkmesse lockt mit über 2000 Ausstellern mehr als 100 000 (Fach-)Besucher an. Inmitten der riesigen Telekom-Anbieter und Software-Firmen wirken die vereinzelten Autofirmen mit ihren kleinen Messeständen eher unscheinbar: minimalistisch eben. Und doch soll das vernetzte Fahrzeug zum intelligentesten Device im Internet der Dinge werden.

Als integrierte Mobilitätsplattform unterscheidet sich der Minimó grundsätzlich von all seinen Vorfahren. Auf der IAA 2011 hatten die 300 bis 400 kg leichten City-Flitzer Hochkonjunktur. Audi stellte sein elektrisch angetriebenes Urban Concept in den Mittelpunkt des Messeauftritts, VW zeigte die Studie Nils und der Opel Rak-e war ebenfalls eine umschwärmte Fingerübung der Designer. Die Unternehmensberatung Frost & Sullivan verkündete bereits eine "neue Ära der Mikromobilität". Doch dann wurde es wieder still um die emissionsfreien City-Mobile. Die Städte ersticken zwar immer noch im Verkehr, gerade die raumfressenden Parkplätze würden besser für den Bau von Wohnhäusern genutzt. Doch die Kommunen zögern, konventionelle Autos vor die Stadttore zu verbannen.

Dabei hätte der vermehrte Einsatz von Kleinstautos einige Vorteile. Als Faustformel für solche Fahrzeuge mit 2,5 Metern Länge gilt: Bei vollständig geöffneten Türen sind die Wägelchen meist breiter als lang. Im Fahrmodus ist der Seat mit 1,2 Metern Breite jedoch äußerst schlank, Fahrer und Beifahrer sitzen hintereinander. Theoretisch käme der Minimó mit der halben Fahrbahnbreite aus. Das bietet genauso Raum für neue Verkehrskonzepte wie die geringe Parkfläche von lediglich 3,1 Quadratmeter. Ein Standardparkplatz ist drei- bis viermal so groß.

Eine zweite Regel besagt, dass mit solchen Micro-Cars finanziell nichts zu gewinnen ist. Bislang wagte sich nur Renault an die Serienproduktion des Elektro-Knirpses Twizzy. Interessant könnten solche Kleinstautos für Carsharing-Anbieter werden. "Der Minimó ist die Lösung, auf die Carsharing-Unternehmen gewartet haben: Er wird entscheidend dazu beitragen, dass Carsharing nutzbar und rentabel sein wird", jubelte Luca de Meo denn auch bei der Vorstellung des Minimó in Barcelona. Laut dem Seat-Chef "hat Mikromobilität, also kurze Strecken unter zehn Kilometern, bereits heute einen Anteil von etwa 60 Prozent an allen mit dem Auto zurückgelegten Strecken."

Warum das neue Konzept nun "alle Anforderungen an den Stadtverkehr von morgen" erfüllen soll, hat zwei Gründe: Erstens war das VW Nils-Konzept nicht für den Batteriewechsel vorgesehen - anders als der Minimó. Wenn beim Seat der Akku leer ist, muss er nicht für Stunden an die Ladesäule, sondern man kann die Batterie, die eine Reichweite von hundert Kilometer haben soll, einfach auswechseln. Er steht also wie ein Verbrenner fast rund um die Uhr für das Carsharing zur Verfügung. "Durch das Batteriewechsel-System können wir die Kosten halbieren", verspricht Fabian Simmer, der für die Digitalstrategie bei Seat verantwortlich ist. Außerdem sei jeder Minimó perfekt in eine Mobilitätsplattform integriert. Flottenbetreiber könnten jederzeit die Position der Fahrzeuge in der Stadt bestimmen. Auch Parkrempler und ähnliche Schäden werden sofort an die Leitstelle gemeldet. Zudem werden die Fahrzeuge in der App des Anbieters integriert, damit sie sich jederzeit leicht anmieten lassen.

Statt röhrender Verbrenner sollen künftig also leise und intelligente Stromer durch die Städte gondeln. Der Elektroantrieb spart Platz und ein zentrales Betriebssystem vereinfacht die Vernetzung. "Für 70 Prozent der Seat-Kunden ist Connectivity ein ausschlaggebender Kaufgrund", erklärt Fabian Simmer, "schon aus Kostengründen wollten wir aber kein neues Infotainment-System entwickeln." Die Kunden erwarten beim Sharing gar kein neues digitales Ökosystem, sondern die Features, die sie von ihrem Smartphone kennen. Also spiegelt der Screen auf dem Fahrzeug alle typischen Android-Dienste wieder ­- von der Navigation per Google Maps oder Waze bis zu typischen Apps. "Google stellt das System kostenlos zur Verfügung, bezahlt wird wie beim Handy mit den Daten der Nutzer."

Klein, grün und billig? Dem Minimó soll gelingen, was die Hersteller bisher nicht geschafft haben: Basismobilität auf dem neuesten Stand der digitalen Vernetzung. Nur damit können die Kleinen nicht als automobile Notlösung, sondern als Parkplatzwunder mit maximalen (Fahr-)Spaßfaktor überzeugen. Was die Billiglösung nicht bieten kann, ist Daten-Privatsphäre. Aber damit haben sich viele jugendliche Smartphone-Nutzer anscheinend schon abgefunden. Jetzt kommt es auf die Städte an: Seat muss mit seiner Lösung die Kommunen überzeugen. In den Zentren soll zum Beispiel Parkraum für solche Sharing-Mobile umgewidmet werden. Dann könnten sie den allseits beliebten zweirädrigen Scootern im Mittelmeerraum tatsächlich Marktanteile abnehmen. Sobald es grünes Licht gibt, will Seat den Minimó in Serie bringen.

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