Süddeutsche Zeitung

Riesen-Lkw:Groß, größer, Gigaliner

Lesezeit: 2 min

Von Felix Reek

Befürchtungen gab es viele, als vor drei Jahren die ersten riesigen Lastwagen, sogenannte Gigaliner, in einem Feldversuch in Deutschland starteten: Sie seien zu groß, umweltschädlich, verstopften die Straßen und es gäbe keine entsprechende Infrastruktur. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sperrten sich gegen die Lang-Lkw, doch nun dürfen sie auch dort innerhalb eines Feldversuches des Bundesverkehrsministeriums testweise fahren. Fragen und Antworten:

Was genau ist ein Gigaliner und wie unterscheidet er sich von einem normalen Lkw?

Namen für die Gigaliner gibt es viele: Eccocombi, Eurocombi, Lang-Lkw, Long Combination Vehicle (LCV), Longliner, Riesen-Lkw. Sie alle bezeichnen einen Lastwagen, der die übliche Längenbegrenzung in Europa von 16,50 Meter überschreitet (LKW mit Auflieger). Ein Gigaliner ist maximal 25,25 Meter lang und bis zu 60 Tonnen schwer. In Deutschland ist das Gewicht auf 44 Tonnen beschränkt, dem Maximalgewicht eines normalen Lasters, da Straßen und vor allem Brücken nicht auf schwerere Fahrzeuge ausgerichtet sind.

Wo sind Gigaliner unterwegs?

In Schweden und Finnland sind die großen Lkws bereits seit den Siebzigerjahren im Einsatz, in den Niederlanden seit 2011. In weiteren europäischen Ländern, darunter Norwegen, Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz, fanden bzw. finden zurzeit noch Großversuche mit ihnen statt. Deutschland testet seit 2012 die Gigaliner im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums. Das Streckennetz umfasste bislang etwa 10 000 Kilometer auf vorgeschriebenen Strecken in sieben Bundesländern: Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. In anderen Bundesländern sind Autobahnen freigegeben, um Streckenlücken zu schließen. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen steigen vom 22. Juli an in die Testphase ein. In NRW sind aber nur maximal 17,80 Meter lange Lastwagen erlaubt, dann allerdings auf allen Strecken. Der Feldversuch mit zurzeit 129 Gigalinern läuft noch bis Ende 2016.

Dürfen die überlangen Lkw andere Verkehrsteilnehmer überholen?

Laut Bundesverkehrsministerium ist das auf Autobahnen untersagt. Generell dürfen die Gigaliner nur Fahrzeuge bis maximal 25 km/h überholen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sie nach der Testphase flächendeckend zugelassen werden?

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) macht aus seinem Wunsch keinen Hehl. Der Deutschen Verkehrszeitung erklärte er: "Ich möchte, dass der Lang-Lkw in den Regelbetrieb geht." Das hat zu Kritik einiger Interessengruppen geführt. Dirk Flege von der "Allianz pro Schiene", einem Lobbyverband der Bahnbranche, erklärte die wissenschaftliche Begleitung der Gigaliner zur Farce, wenn so die großen Lkws durch die Hintertür eingeführt werden sollen. Die Studie mache nur Sinn, wenn sie unabhängig bewerte und nicht dem Zweck diene, ein Vorhaben des Bundesverkehrsministeriums zu legitimieren.

Was kritisieren die Gegner der Gigaliner?

Gerade Anbieter aus dem Schienengüterverkehr sprechen sich gegen die langen Lastwagen aus. Der Grund ist nachvollziehbar: Sie fürchten um ihre Aufträge, wenn aus Kostengründen mehr Güter auf die Straße verlagert werden. Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisiert das erhöhte Unfallrisiko durch die Gigaliner: "Sie machen Überholvorgänge unübersichtlich und langwierig, vor allem für andere Lkw. Ebenso brauchen sie länger, um Kreuzungen und Bahnübergänge zu räumen". Zudem würden Straßen und Umwelt stärker belastet.

Welche Vorteile bieten die Lang-Lkw?

Eine erste Zwischenbilanz des Feldversuchs zeigt, dass sich bisher keine der Befürchtungen der Kritiker bewahrheitet haben. Durch die gewonnene Größe bei gleichem Transportgewicht könnten zwei Fahrten mit einem Gigaliner drei mit einem konventionellen LKW ersetzen. Das spart bis zu 25 Prozent Kraftstoff. Es sorge zudem dafür, dass der Erhaltungsaufwand der Straßen nicht steige. Genutzt würden die langen Gigaliner vor allem, um Materialien zu befördern, die viel Volumen beanspruchen, aber wenig wiegen, wie etwa Dämmstoffe oder Solarpaneele. Ungeklärt ist hingegen, wie die passende Infrastruktur für die überlangen Lastwagen geschaffen werden soll. Parkplätze auf Autobahnen sind nicht groß genug, Notfallbuchten zu kurz. Und durch einen normalen Kreisverkehr passt ein Gigaliner auch nicht.

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