Süddeutsche Zeitung

Batterietechnik:Neues von der Superzelle

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Das kalifornische Start-up Quantumscape hat eine Technik entwickelt, mit der Lithium-Ionen-Akkus doppelt so lange durchhalten. Davon profitiert auch VW.

Von Joachim Becker

Es hat sich nicht viel geändert seit den Tagen von Thomas Alva Edison. "Glaube nichts, was du über Batterien liest", hatte der amerikanische Wegbereiter des Elektrozeitalters gesagt. An das Bonmot fühlte sich Stanley Whittingham vor Kurzem erinnert. "Die Ergebnisse sehen vielversprechend aus. Aber es ist viel mehr Hype in der Fachliteratur, als Fleisch dran ist", frotzelte der Nobelpreisträger vorige Woche. Mit seiner Grundlagenforschung hatte Whittingham in den 70er- und 80er-Jahren den Weg für Lithium-Ionen-Batterien freigemacht. Die Aufbruchstimmung aus jener Zeit erlebt er nun wieder: "Ich fühle mich ermutigt von dem, was ich von Quantumscape höre: Es wäre ein echter Durchbruch, die Energiedichte um mindestens 50 Prozent, wenn nicht um 100 Prozent zu erhöhen. Das wäre der Durchbruch auch für Elektrofahrzeuge."

Bis in die 80er-Jahre waren Batterien schwer, teuer und vor allem kaum wiederaufladbar. Dann entdeckte Whittingham, dass sich hochreaktives Lithium in Verbindung mit Metalloxiden gut zum Speichern von Energie eignet. "Es ist fast ein halbes Jahrhundert her, dass wir die ersten Lithium-Metall-Batterien für Exxon entwickelten. Die hatten damals die höchste Energiedichte", erinnert sich der heute 78-Jährige und fügt hinzu: "Aus Sicherheitsgründen mussten wir dann auf ein anderes Material wechseln, was eine geringere Energiedichte zur Folge hatte. Seitdem haben sich viele Firmen an Lithium-Metall versucht, aber keine hatte wirtschaftlichen Erfolg damit." Das Sicherheitsproblem war simpel: Beim Laden der Batterie bildeten sich nadelspitze Dendrite auf der Oberfläche des (flächigen) Minuspols - die Zelle spießt sich sozusagen von innen selbst auf.

Lithium-Mellzellen gab es schon in den 70er-Jahren

Die Auswüchse auf der Anode können bis zur gegenüberliegenden Kathode wachsen - und zu Kurzschluss, Brand oder Explosion des Akkus führen. Deshalb gibt es das energiedichte Lithium-Metall vor allem als Knopfzelle und nicht als wiederaufladbaren Akku. Fast alle Lithium-Ionen-Akkus haben grundsätzlich dasselbe Problem: Sie "altern" mit Auswüchsen beim (häufigen) Schnellladen. Ein Mittel dagegen sind Anoden aus porösem Graphit, die schon im ersten Sony-Walkman in den 90er-Jahren zum Einsatz kamen. "Diese Graphit-Anode nimmt fast den halben Platz ein. Deshalb ist es der heilige Gral der Batterieforschung, zurück zu metallischem Lithium zu gehen", so Whittingham. Quantumscape will nun die Anoden einfach weglassen, um Platz zu sparen und so die Energiedichte mit mehr aktivem Material zu erhöhen.

Der Clou ist metallisches Lithium, das sich beim ersten Laden am Minuspol absetzt - und so die Anode erst bildet. Voraussetzung ist jedoch eine neuartige Trennschicht zwischen den Polen, die so gut leitet wie ein flüssiger Elektrolyt, aber sicherer ist. In zehnjähriger Forschung hat Quantumscape einen keramischen Separator entwickelt, der den Plus- und den Minuspol zuverlässig voneinander trennt. Er ist flexibel wie ein Spielkarte, dünner als ein Haar und trotzdem stabil genug, um die gefürchteten Dendrite zurückzuhalten. Die entsprechenden Pouch-Zellen im Format von 70 mal 85 Millimeter gibt es zwar erst als Prototypen, die Ergebnisse aus Belastungstests sorgen allerdings weltweit für Aufsehen: Mit einer Energiedichte von 400 Wattstunden pro Kilogramm schneiden sie doppelt so gut ab wie herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus, halten aber genauso lange durch (etwa 1000 Ladezyklen).

Von dem Erfolg profitiert auch VW. Die Wolfsburger haben seit 2018 insgesamt mehr als 300 Millionen Euro in das kalifornische Start-up investiert. "Wir haben die Zellen in unserem Testzentrum Salzgitter getestet. Unsere Ergebnisse passen zu den von Quantumscape kommunizierten Daten", lautet der knochentrockene Kommentar von Volkswagen. Konzernchef Herbert Diess wird ausführlicher: "VW ist der größte Investor in Quantumscape geworden, wir arbeiten seit 2012 zusammen. Das ist ein entscheidender Baustein unserer Batteriestrategie. Eines der Langfristziele ist der Bau von Feststoffzellen ab 2025." Toyota wollte derartige Energiespeicher bereits im Rahmen der Olympischen Spiele 2020 präsentieren. Auch der Staubsauger-Hersteller Dyson hatte viel Geld in die Entwicklung solcher Zellen gesteckt, das entsprechende Autoprojekt aber wieder aufgegeben. Wer die neuen Akkus als Erster in Serie bringt, dürfte sich jedenfalls einen Spitzenplatz bei der Verkehrswende sichern.

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