Süddeutsche Zeitung

Moped-Führerschein mit 15:Die Unfall-Lizenz

Lesezeit: 2 min

Die Koalition will die neue Führerscheinklasse "AM" ermöglichen. 15-Jährige dürften dann nicht nur Mopeds samt Beifahrer steuern, sondern auch die vierrädrigen, schwer zu beherrschenden Quads.

Michael Bauchmüller

Statistisch gesehen war 2009 ein vergleichsweise gutes Jahr auf Österreichs Straßen. Seit Beginn der Aufzeichnungen starben nie weniger Menschen im Verkehr. Nur bei den Sorgenkindern der Statistik wollte sich wieder nichts ändern: Die Zahl der Unfälle jugendlicher Mopedfahrer stieg abermals.

Fünfmal mussten Eltern den Tod ihrer 15-jährigen Kinder beklagen, die mit dem Moped unterwegs waren, und zwar ganz legal. Seit 1997 ist das in Österreich erlaubt, seit 2002 ist der Führerschein-Erwerb für Jugendliche ein Kinderspiel. Seitdem stieg die Zahl der Moped-Unfälle sprunghaft. In jeden dritten Moped-Unfall sind mittlerweile 15-Jährige verwickelt.

Ein abschreckendes Beispiel? Nicht im Nachbarland Deutschland. Auf Betreiben der Fraktionen von Union und FDP soll die Bundesrepublik bald dem Beispiel Österreichs folgen. An diesem Mittwoch wird der Verkehrsausschuss des Bundestages einen Gesetzentwurf der Koalition beraten, der vor allem die neuen EU-Regeln zum Führerschein umsetzen soll - und der ganz nebenbei das Mindestalter für motorisierte Untersätze absenkt.

15-Jährige können damit künftig den Führerschein der neuen Klasse "AM" machen. Nicht nur Mopeds samt Beifahrer dürften sie dann mit bis zu 45 Stundenkilometern steuern, sondern auch die geländetauglichen, vierrädrigen Quads sowie die gerne von Senioren genutzten Microcars. Bisher ist das erst ab 16 möglich.

Dabei sollte es auch bleiben, fordern Experten - und zwar ziemlich einhellig. So mahnte die Bundesanstalt für Straßenwesen, eine Unterbehörde des Bundesverkehrsministeriums, den Jugendlichen fehle mit 15 noch die nötige Erfahrung. Je jünger die Mopedfahrer, desto höher ihre Risikofreude - und damit ihr Risiko, einen Unfall zu bauen. "Wir erwarten, dass die Unfallzahlen in der Folge steigen werden", sagt Christian Kellner, Chef des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. "Das ist nicht akzeptabel."

Selbst die Automobilverbände, sonst für jede Art Liberalisierung auf der Straße zu haben, laufen Sturm. Eindringlich warnte ADAC-Vize Ulrich Klaus Becker vorige Woche Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vor zu jungen Moped-Fahrern. "Aus Sicht der Verkehrssicherheit sind Argumente für eine Herabsetzung des Mindestalters nicht erkennbar", schrieb er dem Minister.

Einmal motorisiert, könnten die Teenager noch weit schlimmere Unfälle erleiden als ohnehin schon auf Fahrrad oder Mofa. Und weil die Mopeds für zwei Personen ausgelegt seien, erhöhten die "fahrphysikalischen Eigenschaften und sozialen Interaktionen während der Fahrt" das Risiko zusätzlich, setzte der ADAC-Vize gestelzt hinzu. Mit dem Beifahrer quatschen und ohne viel Erfahrung ein Moped lenken - das ist zu viel.

Die Koalition scheint dennoch fest entschlossen. SPD und Grüne wollen das Vorhaben zwar an diesem Mittwoch per Antrag kippen, aber das gilt als aussichtslos. "Wir wollen keine Lizenz zum Rasen für Jugendliche", sagt Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann.

Dagegen sieht die Koalition in der Vereinfachung vor allem Chancen. Zum einen könnten die Jugendlichen sich früher auf den motorisierten Verkehr vorbereiten, argumentieren Union und FDP, zum anderen würden sie mobiler. Vor allem auf dem Land sind Mopeds und Roller beliebt.

In Österreich haben die Kuratoren für Verkehrssicherheit inzwischen ein knackiges Schlagwort für die neue Freizügigkeit auf zwei Rädern: "Katastrophe Moped 15".

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SZ vom 02.01.2011
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