Süddeutsche Zeitung

Mittelklasse-Cabrio im Fahrbericht:C-Klasse Cabrio ist der Mercedes für Unvernünftige

Lesezeit: 3 min

Der offene Mittelklasse-Mercedes ist gleichzeitig elegant und aggressiv, komfortabel und sportlich. Aber er kann nicht alle Versprechungen des Herstellers halten.

Test von Peter Fahrenholz

Eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass im Angebot von Mercedes angesichts der Vielzahl an Modellen und ihrer Derivate noch eine Lücke klaffen könnte. Noch dazu eine, in der die Erzrivalen Audi und BMW attraktive Fahrzeuge offerieren. Und doch ist es so. Ein viersitziges Cabrio, dass dem BMW Vierer und dem Audi A5 Paroli bieten könnte, gab es bisher nicht.

Das wird vom Sommer an anders, denn mit genau einem solchen Cabrio komplettiert Mercedes seine Modellfamilie in der C-Klasse und rundet zugleich seine Cabriostrategie nach unten ab, denn E- und S-Klasse bieten den Frischluftfans ja bereits ein entsprechendes Auto.

Ein Nischenprodukt, das Emotionen wecken soll

"Ein Cabrio ist nie nur ein Vernunftauto", sagte Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber bei der Präsentation des neuen C-Klasse-Cabrios in dieser Woche in Triest. Ebenso wenig wie ein Cabrio jemals die Verkaufszahlen sprunghaft nach oben treiben wird, es ist ein Nischenprodukt, mit dem sich aber Emotionen wecken lassen - und natürlich auch ganz gezielt geweckt werden sollen.

Beim C-Klasse-Cabrio gelingt dies sozusagen auf den ersten Blick. Den Mercedes-Designern ist hier optisch ein echter Hingucker gelungen (die Marketingfuzzis würden wahrscheinlich Eyecatcher sagen). Sowohl offen als auch mit geschlossenem Stoffverdeck ist das Auto eine kleine Schönheit. Und es ist ein weiterer Schritt in der Designstrategie der Schwaben. Nicht mehr nur Komfort und gediegene Eleganz, die man von einem Mercedes immer erwarten konnte. Sondern auch Dynamik, Sportlichkeit und eine Art von jugendlicher Frische, die man Mercedes lange Zeit nicht unbedingt zugeschrieben hat. "Hot & Cool" nennt Chefdesigner Gorden Wagener seine neueste Schöpfung, was immer das auch sein mag.

Stabil zieht der Wagen seine Spur

Die ersten Fahreindrücke im slowenischen Hinterland bestätigten die Formensprache der Designer. Dazu tragen die verschiedenen Fahrmodi, die über das "Dynamic Select"-System gewählt werden können, entscheidend bei. Wer entspannt die Küstenstraße entlangbummeln möchte, wählt den "Comfort"-Modus. Wenn es dagegen ins Kurvengeschlängel der Berge geht, strafft der "Sport"-Modus die Federung spürbar, verkürzt die Schaltwege und sorgt für eine spontanere Gasannahme. Noch ein ganzes Stück knackiger fällt das Ganze im Modus "Sport Plus" aus. Stabil zieht der Wagen seine Spur, die Lenkung arbeitet direkt, ohne nervös zu reagieren.

Natürlich können alle möglichen Assistenzsysteme geordert werden, und beim Infotainment ist es so wie bei den meisten Autos. So selbsterklärend, wie es die Ingenieure gerne verkaufen, ist es nicht, aber wenn man sich an die Bedienung gewöhnt hat, bietet es eine Menge Möglichkeiten.

Auch mit den vier Sitzen ist es so eine Sache. Sicher, in dem Auto kann hinten auch ein Erwachsener sitzen, aber glücklich wird er dabei nicht werden, die Beinfreiheit tendiert eher gegen null. Insofern muss man die Aussage von Entwicklungsvorstand Weber, das C-Klasse-Cabrio könne durchaus auch das einzige Auto einer Familie sein, wahrscheinlich so verstehen, dass damit nur Familien mit Kleinkindern gemeint sind.

Angeboten wird das Cabriolet mit fünf Benzin- und zwei Dieselmotoren, der Leistungsbogen spannt sich dabei von 156 PS beim Einstiegsmodell C 180 bis zu 333 PS beim Spitzenmodell C 400, das neben einem Sechszylinder-Triebwerk auch über einen serienmäßigen Allradantrieb verfügt.

Die stärkste Version hat 510 PS

Wem das nicht reicht, dem bietet AMG, die High-Performance-Schmiede von Mercedes, noch drei weitere Varianten an: den C 43, einen V-6-Biturbo mit 367 PS und den C 63 sowie den C 63 S, einen V-8-Biturbo, der je nach Version 476 oder 510 PS mobilisiert. Welchen Sinn so ein Kraftpaket in einem kompakten Cabrio macht, steht auf einem anderen Blatt.

Die Preise beginnen bei 41 215 Euro für das Einstiegsmodell C 180 bis zu 91 690 Euro für den AMG C 63 S. Aber das sind natürlich nur die Grundpreise, mit aufpreispflichtigen Extras lässt sich die Summe locker um Tausende Euros nach oben schrauben. Wen hat Mercedes mit dem C-Klasse-Cabrio im Visier? "Wir wollen damit auch ganz klar junge Kunden ansprechen", sagt Vorstandsmitglied Weber. Die müssen sich so ein Auto allerdings auch erst mal leisten können.

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Quelle:
SZ vom 04.06.2016
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