Süddeutsche Zeitung

Maroder Autohersteller in Schweden:Chinesen wollen Saab übernehmen

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Saab ist seit Dezember pleite - trotzdem wird in Schweden über eine Rettung spekuliert. Die Insolvenzverwalter haben versichert, dass sie das Unternehmen als Ganzes erhalten wollen. Der chinesische Autohersteller Youngman will das Werk in Trollhättan kaufen, trotzdem sei die Chance "sehr klein", dass Saab wieder Autos produziert. Ende des Monats wird eine Entscheidung erwartet.

Gunnar Herrmann

Pang Qingnian versprach viel, als er kürzlich ein Reporterteam der Zeitung Svenska Dagbladet in seiner chinesischen Firmenzentrale empfing. Umgerechnet mehr als 1,3 Milliarden Euro wolle er in Schweden investieren, um Saab flottzukriegen, sagte der Chef des Autobauers Youngman, der bereits früher Interesse an Saab gezeigt hatte. Und Pang schwärmte dann in dem Gespräch von neuen Saab-Modellen und der Eroberung des chinesischen Marktes. Das alles sei natürlich nur zu machen, wenn man den alten Standort Trollhättan erhalte: "Das ist eine Voraussetzung."

Saabs Konkurs im Dezember war für viele schwedische Autofans ein Schock, obwohl sich das Ende des Autobauers lange angekündigt hatte. Seit April 2010 hatte das Unternehmen aus Geldmangel keine Fahrzeuge mehr hergestellt. Der damalige Saab-Chef Victor Muller machte zwar stets neue "Silberstreifen am Horizont" aus, sprach von Rettungsplänen und potentiellen Geldgebern, am Ende aber scheiterte er und musste zurücktreten. Youngman war damals einer der vielversprechendsten möglichen Retter. Auch nach der Pleite blieb die Hoffnung auf Wiederauferstehung - wie das Interview mit Pang Qingnian zeigt.

Dabei ist Youngman nicht der einzige Konzern, der an Saab Interesse haben soll. In Schwedens Wirtschaftspresse kursieren seit Wochen Gerüchte über mögliche Retter. Neben Youngman sollen das türkische Unternehmen Brightwell Holdings und der indische Autobauer Mahindra daran interessiert sein, Saab komplett zu übernehmen. Das wäre die letzte Möglichkeit, dass in Trollhättan wieder Autos von Saab hergestellt werden. Die Alternative: Maschinen und Gebäude würden stückweise verkauft. Damit verschwände das Unternehmen.

Insgesamt interessieren sich 14 Käufer für Saab oder für Teile des Unternehmens. Das teilten die Konkursverwalter Hans Bergqvist und Anne-Marie Pouteaux mit. Ende Januar hatten sie das Museum des Autobauers für gut drei Millionen Euro verkauft, es hat für den Konzern allenfalls sentimentalen Wert. Weitere Verkäufe einzelner Teile gingen an die Substanz: Der Göteborger Konkurrent Volvo etwa erklärte, er sei an Saabs Testlabor interessiert, einem Kernstück der Entwicklungsabteilung.

Die Insolvenzverwalter haben stets versichert, dass sie Saab möglichst als ganzes Unternehmen erhalten wollen. Es gebe mehrere seriöse Interessenten für diesen Schritt. Aber leicht sei die Aufgabe nicht. Zunächst müsste ein potentieller Retter viel Geld bezahlen, um zumindest einige der ausstehenden Forderungen bedienen zu können. Wie viel Geld es braucht, kann nur vermutet werden. Gerüchten zufolge soll Youngman sein Gebot von zwei Milliarden Kronen (etwa 230 Millionen Euro) noch einmal kräftig ausgestockt haben.

Zu Saabs wichtigsten Gläubigern zählen der schwedische Staat und die Europäische Investitionsbank. Außerdem bekommen allein in Schweden 75 Zulieferbetriebe noch Geld von dem Autobauer. Auch diese Gläubiger würden Saab gerne als Ganzes erhalten: Bei dem Insolvenzverfahren, einem der größten der schwedischen Wirtschaftsgeschichte, geht es nicht nur um unbezahlte Rechnungen, sondern auch um Standortpolitik. "Saab ist ein Innovationszentrum, mit Bedeutung für die ganze Branche", erläutert Fredrik Sidahl, Geschäftsführer des Verbands der schwedischen Zulieferbetriebe.

Schwieriger als die Einigung auf einen Kaufpreis dürfte darum bei den Verhandlungen die Frage der Lizenzrechte sein. Dem ehemaligen Mutterkonzern General Motors (GM) gehören noch Technologien, die für die Herstellung der aktuellen Saab-Modelle benötigt werden. Sie an einen ausländischen Konkurrenten abzutreten, hat GM mehrfach abgelehnt. Daran scheiterte bereits Victor Muller.

Youngman-Chef Pang skizziert nun im Interview mit Svenska Dagbladet einen Ausweg: Nach der Abspaltung von GM hatte man in Trollhättan mit der Entwicklung einer eigenen, neuen Produktionsplattform begonnen. Das Projekt mit Namen "Phoenix" ist zwar nur halbfertig. Aber Youngman-Chef Pang sagt, mit seiner Millioneninvestition könne man in etwa zwei Jahren zu marktreifen Produkten ohne amerikanische Technik kommen. Das klingt riskant - Youngman müsste lange Zeit einen Standort finanzieren, der keine fertigen Autos herstellt.

Beobachter halten die Pläne der Chinesen dennoch für die beste unter vielen schlechten Chancen. "Youngman war als einziger Interessent sogar bei uns", sagt Fredrik Sidahl vom Zuliefererverband. "Und sie haben konkrete Fragen gestellt: Was könnt ihr liefern? Wie lange braucht ihr, um in Gang zu kommen?" Auf die Frage, ob jemals wieder Saab-Neuwagen in Schweden verkauft werden, zögert Sidahl mit der Antwort. "Es gibt eine Chance, aber die ist sehr klein."

Und sie werde täglich kleiner. Denn die Fachleute in Trollhättan, die man für einen Neuanfang bräuchte, haben längst begonnen, sich neue Jobs zu suchen. Man müsse jetzt schnell entscheiden, sagt Sidahl. Die Konkursverwalter versprachen, bis spätestens Ende des Monats werde klar sein, ob Saab als Ganzes oder in Stücken verkauft wird.

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SZ vom 28.02.2012
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