Süddeutsche Zeitung

Fahrbericht Jaguar XK66:Als Jaguar noch richtig britisch war

Lesezeit: 3 min

Jaguar opfert den eleganten XK für eine Mittelklasselimousine und den ungehobelten F-Type. Eine Ausfahrt im finalen Editionsmodell macht klar: Dieser Gentleman unter den Sportwagen wird uns fehlen.

Von Michael Specht

Der Klassiker geht in Rente. Er ist eher Boulevard-Cruiser denn Sportler, wunderbar geeignet zum niedertourigen Flanieren, sei es auf der Leopoldstraße in München, dem Pacific Coast Highway in Kalifornien oder der Elbchaussee in Hamburg. Erst recht, wenn es sich um die Cabrioversion handelt. Sie bringt das Autofahren - zumindest gefühlt - wieder ein wenig auf seinen Ursprung zurück. Gleiten und genießen, die Landschaft vorbeiziehen und den Fahrtwind durchs Cockpit wehen lassen. Dafür war der XK in den vergangenen neun Jahren nicht nur der passende Weggefährte, sondern auch der Wagen mit der richtigen Portion an Souveränität.

Aus und vorbei. Jetzt gibt es den neuen Sportwagen F-Type, der viel moderner, männlicher und muskulöser ist. Doch damit können Liebhaber von sogenannten Gran-Turismo-Fahrzeugen nicht so recht etwas anfangen. Sie bevorzugen eher den gediegenen und eleganten Auftritt, nicht den halbstarken und lauten. Den typischen XK-Fahrer sollte man sich nicht als Rambo, sonder als reiferen Gentleman mit silbernen Haaren und Stecktuch im vornehmlich dunklen Zweireiher vorstellen. Und das Auto trägt am besten die stilvolle Farbe British Racing Green sowie eine beige Innenausstattung in Leder. Es wundert daher wenig, dass Jaguar eine auf nur 66 Stück limitierte Abschlussserie genau in dieser Kombination vom Band laufen ließ. Erkennbar am Emblem unter dem seitlichen Lufteinlass und am Heck. Auch im Cockpit weist eine Plakette auf die Last Edition hin. Auf ihr steht "XK66 One of 66".

Zufallstreffer auf der London Motor Show

Unsere Ausfahrt in einem der letzten Exemplare ist natürlich nicht ganz frei von Emotionen. Schließlich begleitete die XK-Baureihe Jaguar mehr als die halbe Firmengeschichte. Alles begann vor 66 Jahren. Damals feierte der Urahn XK120 auf der London Motor Show seine Premiere. Er galt mehr oder weniger als Notlösung. Denn eigentlich wollte Jaguar-Chef William Lyons eine viertürige Limousine präsentieren. Weil die aber nicht rechtzeitig fertig wurde, fehlte auf dem Stand ein "Eye Catcher". In nur sechs Wochen dengelte daraufhin ein kleines Team von Spezialisten eine wunderschöne Coupé-Karosserie aus Aluminium und setzte sie auf das verkürzte Fahrgestell der geplanten Limousine.

Ein Name war schnell gefunden: XK120. Das Modell wurde zum Star der Messe. Lyons dachte anfangs an eine Kleinserie von 100 Einheiten. Nach wenigen Tagen standen jedoch über 500 Bestellungen im Orderbuch. Sechs Jahre später waren bereits weltweit 12 000 XK ausgeliefert. 60 Prozent davon ging in die USA, am begehrtesten waren die Roadster-Versionen.

Auf XK120 folgten in den Fünfzigerjahren XK140 und XK150. Es gab mehr Leistung, aber auch zwei hintere Notsitze. Der XK galt jetzt als 2+2-Sitzer und erfuhr sich den Ruf als "Elegant Englishman". Unter anderem zählten Filmstars wie Clark Gable zu den Kunden. Im Herbst 1961 lief der vorerst letzte XK vom Band, abgelöst von einer der größten Autolegenden überhaupt: der langen Flunder Jaguar E-Type, die bis 1975 gebaut wurde. Doch Mitte der Siebziger stand den britischen Strategen weder der Sinn nach einem würdigen Nachfolger (wäre es dazu gekommen, hätte dieser in alphabetischer Order sicher F-Type geheißen), noch dachten sie an eine Neuauflage des XK. Stattdessen entschied man sich für einen eher unsportlichen und großen Ableger der XJ-Baureihe, den XJ-S. Diesen Grand Tourer baute Jaguar bis 1996.

Seine Lordschaft bleibt ohne Nachfolger. Stattdessen kommt die moderne XE Limousine

Erst dann fasste man den Mut für ein wirklich neues Modell, den XK8. Er war zugleich der erste Jaguar mit einem V8-Motor. Diese intern X100 genannte Baureihe löste 2005 der aktuelle XK (X150) ab, der nicht nur für das neue und modernere Design von Jaguar stand, sondern auch eine Karosserie aus Aluminium besaß. Leichtbau war damals fast eine Art Luxus. Besonders, wenn man bedenkt, dass Jaguar unter der Fuchtel von Ford agieren musste und die Amis jeden Dollar für Investitionen zweimal umdrehten.

Leistungsmäßig puschten die Briten den XK zuletzt auf bis zu 550 PS, was den Wagen zu immerhin 300 km/h verhalf. Beim 66er-Modell beließ man es beim fünf Liter großen Sauger-V8 und 385 PS. Das ist immer noch mehr, als man im Alltag wirklich benötigt. Aber es trägt ungemein zum Fahrgenuss bei. Schon kleine Bewegungen mit dem Gasfuß werden über die Achtgangautomatik spontan in Vortrieb umgesetzt, stets begleitet von einem dumpfen Grollen, wie es auch gerne die Achtzylinder amerikanischer Herkunft von sich geben. Der XK kann aber auch leise und vornehm, was ohnehin besser zu ihm passt.

Was bleibt, ist eine Lücke im Segment der klassischen GT-Fahrzeuge. Die Kunden werden sich zukünftig woanders umsehen müssen, bei Maserati, Aston Martin, Ferrari, BMW und demnächst auch bei Mercedes, wenn es vom Coupé der S-Klasse seit vielen Jahren auch wieder eine Cabrioversion geben wird. Jaguar kann sich nicht zu einem Nachfolger des XK durchringen. Die Briten setzen auf ihre neue Mittelklasse XE, die im Oktober auf dem Pariser Autosalon enthüllt wird. Damit lassen sich höhere Stückzahlen realisieren als mit dem XK.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2014
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