Süddeutsche Zeitung

Bundesrat stimmt Verordnung zu:Wie es mit den E-Scootern weitergeht

Lesezeit: 4 min

Elektrische Tretroller kommen in deutsche Städte - allerdings nicht auf Gehwege und erst ab 14 Jahren. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Bundesrats-Beschluss.

Von Christina Kunkel

Der Bundesrat hat den Weg für die Zulassung von Elektro-Tretrollern in Deutschland geebnet. Die Länderkammer stimmte am Freitag einer Verordnung des Bundesverkehrsministeriums zu - allerdings mit Änderungen, die die Bundesregierung nun noch umsetzen muss. Die wichtigsten Fragen und Antworten, wie es mit den kleinen Elektroflitzern weitergeht:

Kann ich mir jetzt einen E-Scooter kaufen und direkt losfahren?

Bis die Verordnung tatsächlich in Kraft tritt, werden noch einige Wochen oder gar Monate vergehen. Es gibt allerdings E-Scooter auf dem Markt, die mit einer Sondergenehmigung schon jetzt für den Straßenverkehr zugelassen sind. Dazu zählen zum Beispiel der X2City von BMW oder der Moover von Metz. Diese Roller kosten aber auch mindestens 2000 Euro. Für alle anderen Modelle müssen die Hersteller jetzt erst eine Betriebserlaubnis beim Kraftfahrtbundesamt beantragen, was wiederum einige Monate dauern kann. Deshalb ist davon abzuraten, voreilig ein vermeintlich günstiges Modell im Internet zu bestellen, das dann vielleicht die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt. Wer mit nicht zugelassenen und nicht versicherten Scootern im Straßenverkehr rollert, macht sich strafbar und hat keinen Versicherungsschutz. Die entstehenden Schäden sind laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft auch nicht von einer privaten Haftpflichtversicherung gedeckt

Wer darf einen E-Scooter benutzen?

Der Fahrer muss mindestens 14 Jahre alt sein. In diesem Punkt weicht der endgültige Beschluss des Bundesrats von der Vorlage ab, der das Bundeskabinett noch Anfang April zugestimmt hatte. Darin hätten bereits Zwölfjährige langsamere Tretroller nutzen dürfen. Forderungen, E-Scooter erst ab 15 Jahren zu erlauben, fanden in der Länderkammer keine Mehrheit. Einen Führerschein braucht man nicht.

Wo dürfen sie fahren?

Die Tretroller dürfen ausschließlich auf Radwegen unterwegs sein - wenn es diese nicht gibt, müssen sie auf die Straße ausweichen. Die Einschränkung, dass langsamere Scooter bis zwölf Stundenkilometer auch auf Gehwegen fahren dürfen, wurde zuletzt nach heftigem Protest von Verbänden und den Verkehrsministern einiger Bundesländer wieder aus der Verordnung gestrichen.

Wie schnell darf man damit fahren?

Die Höchstgeschwindigkeit für die E-Scooter liegt bei 20 Stundenkilometer. Die ursprünglichen Pläne für eine Verordnung sahen vor, dass E-Roller, die langsamer als zwölf Stundenkilometer sind, im Schritttempo auf Bürgersteigen fahren sollten. Nun sollen alle E-Roller in der Regel auf Radwegen fahren, wie es zunächst nur für schnellere Gefährte vorgesehen war. Der Bundesrat stimmte dafür, die Unterteilung in zwei Kategorien ganz aus den Regeln herauszunehmen.

Darf man die Scooter in Bus und Bahn mitnehmen?

Das Verkehrsministerium befürwortet zwar, dass die Roller auch in der S-Bahn oder im Bus mitgenommen werden dürfen, allerdings liegt die letzte Entscheidung darüber immer bei dem jeweiligen Verkehrsunternehmen.

Wie sind die Fahrzeuge versichert?

Jeder Roller braucht eine Haftpflichtversicherung. Diese kostet voraussichtlich zwischen 30 und 60 Euro pro Jahr. Der Versicherungsaufkleber mit Anti-Fälschungs-Hologramm wird hinten am Fahrzeug angebracht.

Welche Sicherheitsanforderungen müssen die Roller erfüllen?

Pflicht sind zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen und eine Beleuchtung, die auch abnehmbar sein darf. Ebenfalls vorgeschrieben sind seitliche Reflektoren und mindestens eine "helltönende Glocke". Steuer-Elemente für den Motor wie Drehgriffe oder Knöpfe müssen binnen einer Sekunde automatisch in Nullstellung zurückspringen, wenn sie losgelassen werden. Die Standflächen sollten rutschfest sein. Anhänger sind tabu.

Welche Regeln gelten sonst noch?

Es gibt keine Helmpflicht. E-Scooter müssen einzeln hintereinander fahren. Anhängen an andere Fahrzeuge und Freihändigfahren sind nicht erlaubt. Auf mehrspurigen Fahrbahnen gilt das Gebot, möglichst weit rechts zu fahren. Auf Radwegen müssen schnellere Radler "ohne Behinderung" zum Überholen vorbeigelassen werden.

Wie funktioniert das Roller-Sharing in den Städten?

Wer sich keinen eigenen E-Scooter kaufen möchte, kann bald auch in deutschen Städten bei verschiedenen Anbietern Roller mieten. In manchen Städten haben schon bis zu zehn Firmen angekündigt, Mietfahrzeuge zu platzieren. Die Tretroller stehen dann überall verteilt, man kann sie einfach per App freischalten und damit fahren. Die einzelnen Anbieter haben dazu unterschiedliche Nutzungsbedingungen, die man vorher unbedingt durchlesen sollte. So kann zum Beispiel die Altersgrenze höher sein als die gesetzlich vorgeschriebenen 14 Jahre. Zudem empfehlen die meisten Anbieter, einen Helm zu tragen. Die Kosten werden in der Regel pro Minute abgerechnet und liegen aktuell bei etwa 15 Cent. Dazu erheben einige Anbieter eine Grundgebühr pro Fahrt von etwa einem Euro.

Sind E-Scooter gefährlich?

Erste Untersuchungen aus Amerika lassen darauf schließen, dass E-Scooterfahrer ein größeres Unfallrisiko haben als beispielsweise Radfahrer. Laut einer Studie verunglückten alleine in der texanischen Stadt Austin in zwei Monaten mindestens 190 Menschen mit einem elektrischen Tretroller. Fast die Hälfte der Unfallopfer erlitt dabei schwere Verletzungen wie Knochenbrüche oder Organschäden. Langzeituntersuchungen, wie hoch die Unfallgefahr der kleinen Roller ist, gibt es allerdings noch nicht.

Wie sind die Erfahrungen in anderen Ländern?

Wo die Roller bisher zugelassen wurden, erlebten sie schnell einen großen Boom, sorgten aber auch immer wieder für Ärger. In Paris sind seit der Einführung im vergangenen Jahr bereits rund 15 000 Scooter verschiedener Firmen unterwegs, bis zum Jahresende soll ihre Zahl auf 40 000 steigen. Doch weil sich die Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern häuften und die Roller überall herum lagen, griff die Stadt jetzt ein und schloss einen Verhaltenskodex mit zehn E-Scooter-Anbietern ab. In dem fünfseitigen Dokument verpflichten sich Verleiher wie Lime, Bird und Tier, unter anderem das wilde Parken der E-Scooter zu unterbinden. Die Stadt will dafür 2500 Stellplätze zur Verfügung stellen, auf denen die Roller abgestellt werden müssen.

Auch in den USA sind die Roller aus vielen Städten nicht mehr wegzudenken. Vergangenes Jahr hatten die Anbieter Tausende Kickscooter im Stadtgebiet von San Francisco verteilt - über Nacht und ohne Erlaubnis der Behörden. Auch dort schritt die Stadt schließlich ein und verbot die Roller zwischenzeitlich wieder. Mittlerweile gelten strengere Regeln, wie viele Scooter einzelne Anbieter verteilen und wo sie abgestellt werden dürfen.

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