Süddeutsche Zeitung

BMW:Autonomes Fahren: Hilflos in der City

Lesezeit: 2 min

Roboterautos fahren super nur auf dem Highway - vor allem, weil es dort keine Fußgänger gibt.

Von Joachim Becker, Detroit

Auf dem Highway ist die Hölle los: Rund um Detroit wimmelt es von Autos mit merkwürdigen kleinen Sensoren und Antennen auf dem Dach. Je mehr sichtbare Technik desto besser: Mittlerweile gehört es zum guten Ton, mit möglichst futuristischen Testwagen aufzufallen. Autonomes Fahren gilt als Königsdisziplin, die über die Zukunft der Fahrzeughersteller entscheiden wird. Noch ist aber nicht ausgemacht, wer im Rennen der Roboterautos Jäger und wer Gejagter ist: "Das autonome Fahren ist der größte Paradigmenwechsel in der Geschichte der Autoindustrie", betont BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, "Tech-Firmen wie Uber machen enormen Druck, um Robotertaxis möglichst schnell im Ride-Sharing einzusetzen. Dafür müssen wir uns rüsten."

Autos teilen statt besitzen: Mit den Robotertaxis könnten neue Mobilitätsangebote aus der Nische zu marktbeherrschender Größe wachsen. Uber und andere Tech-Firmen wollen vor allem Großstädtern die Last der Parkplatzsuche abnehmen. Autonome Ruftaxis sollen permanent unterwegs sein und per Smartphone-App in wenigen Minuten an jedem Ort verfügbar sein. Was nach Science-Fiction klingt, soll in Kürze durch eine neuartige Zentralintelligenz in der Maschine möglich werden.

Menschen lernen zum Beispiel als Fahrschüler, mit dem komplizierten Verkehrsgeschehen umzugehen. Mit zunehmender Erfahrung finden sie sich selbst in unklaren Situationen sich erstaunlich gut zurecht. Für Maschinen ist das alles andere als einfach. Das zeigt eine Probefahrt in einem aufgerüsteten BMW 5er.

Das hilft - so lange niemand die Vorfahrt schneidet

Der Autopilot kann auf der Autobahn autonom im Konvoi fahren. Dafür genügt zusätzlich zur Serientechnik ein kleiner Computer mit hoch genauen Straßenkarten. Damit können sich die Testwagen auf 20 Zentimeter genau positionieren. Das hilft beim automatischen Spurhalten auf den Ausfallstraßen - solange niemand die Vorfahrt schneidet. Was auf US-Highways eher die Regel als die Ausnahme ist. Dafür fehlen dem BMW 5er zusätzliche Sensoren, die das Auto rund herum überwachen. Bei Fahrten durch die quirlige Innenstadt dagegen müssen die Prototypen der Fahrroboter noch komplett passen. Zu unvorhersehbar sind die möglichen Konstellationen mit Fußgängern und Passanten.

Mit herkömmlicher Technik lässt sich der Mensch hinter dem Steuer also nicht komplett ersetzen. Noch gibt es keine gesicherten Prozesse, um einer Maschine das Autofahren beizubringen. Nach BMW-internen Vorgaben soll sie 250 Millionen Kilometer fehlerfrei zurücklegen: Eine Strecke viel zu lang für herkömmliche Test-Routinen. Also soll Kollege Computer zu 90 Prozent in Simulationen lernen, die Welt zu verstehen. Um Zeit zu sparen, laufen die Vor- und Serienentwicklung bei BMW parallel: Die Entwicklungs-Tools für das neuronale Maschinenlernen (Deep Learning) entstehen gleichzeitig mit den ersten Testfahrten der Gesamtsysteme.

Neue Netzwerke mit Chipherstellern

"Allein haben wir nicht die Kraft, um alle Aufgaben zu lösen. Deshalb sind wir daran interessiert, Aufwände zu teilen und möglichst schnell eine Standardisierung beim autonomen Fahren hinzubekommen", sagt Klaus Fröhlich und schiebt nach: "Möglichst schnell, denn es sind Milliarden, die wir in das autonome Fahren stecken, Milliarden, die wir in die Elektromobilität stecken und Milliarden, die wir in die Emissions-Absenkung für konventionelle Antriebe stecken - alles parallel."

Wie BMW geht es vielen Herstellern, deshalb werden in rasender Eile neue Netzwerke geknüpft. BMW will mit Intel und Mobileye die Projektreifung beschleunigen: Mit dem Chiphersteller und den Experten für intelligente Kamerasysteme will BMW in der zweiten Jahreshälfte 2017 rund 40 autonome Testfahrzeuge in Europa, Israel und den USA auf die Straße bringen. Mit rund 2000 Ingenieuren und Software-Spezialisten will BMW außerdem ein eigenes Entwicklungszentrum beziehen mit Rechenzentrum für Hochleistungscomputer. Die Datenmengen, die in den Testwagen anfallen, sind so groß, dass sie nicht mehr per Funk übertragen werden können.

In vier Jahren soll das erste komplett selbststeuernde Serienfahrzeug der Münchner auf den Markt kommen. Die traditionell 36 Monate dauernde Serienentwicklung müsste also bald beginnen. Viel Zeit bleibt im Rennen gegen Uber, Tesla & Co nicht mehr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3325251
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.01.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.