Süddeutsche Zeitung

Audi R8 im Fahrbericht:Audi maximus

Lesezeit: 2 min

Der neue Audi R8 fasziniert fast rundum. Trotz kleiner Schwächen ist der Sportwagen so gut, dass einem berühmten Konkurrenten kaum Luft zum Atmen bleibt.

Von Georg Kacher

187 400 Euro ist viel Geld für einen Audi - selbst wenn es um so ein besonderes Fahrzeug geht wie die zweite Auflage des R8. Der Mittelmotorsportwagen, der sich die Gene mit dem Lamborghini Huracán teilt, bietet Le-Mans-Faszination mit Straßenzulassung. Im Prinzip spielt das zwischen 540 und 610 PS (R8 plus) starke Coupé in der gleichen Liga wie der Porsche 911, doch noch fehlen günstigere Varianten wie ein Nachfolger für den R8 V8 und ein Fünfzylinder-Einstiegsmodell, das dicht an die 100 000-Euro-Marke heranfahren müsste.

Der Wagen ist zwar weitgehend eine Neuentwicklung, doch die ausladende Armaturentafel verschenkt wie gehabt viel Raum, der Fußraum wird nach wie vor von den Radkästen bedrängt, und die Schottwand beschneidet den Verstellbereich der sehr guten Sitze. Die frei programmierbaren Instrumente und die Klimaregler erinnern an den TT, doch so richtig ausgetobt haben sich die Designer und Elektroniker offenbar erst im R8. Die Tastatur des Sportlenkrads samt Hebelwerk erinnert an eine Komposition für vierhändiges Klavier, in die man sich mit viel Fingerspitzengefühl einarbeiten muss. Was vor allem stört, ist die Redundanz: Auf ein paar Quadratzentimetern buhlen Drive Select, die Performance-Einstellung und die auch mit Dynamik-Funktionen belegbare Favoritentaste um Beachtung. Im Sportmodus beherrscht ein großer Drehzahlmesser das Bild, links flankiert vom Infotainment, rechts eingerahmt von Fahrzeug-bezogenen Anzeigen. Schöne neue Digitalwelt.

Beim Sound kann kein Turbo mithalten

Komplett analog arbeitet der mittig längs eingebaute 5,2-Liter-Zehnzylinder. Und was für ein Klang! Die Tonalität begeistert vom Leerlauf-Blubbern bis zum Volllast-Hämmern. Da kann kein Turbo mithalten. Gleiches gilt für das blitzartige Ansprechverhalten, die latente Gier nach hohen Drehzahlen und den mächtigen Schub selbst jenseits des Drehmoment-Gipfels. Dieser Motor ist in mehrfacher Hinsicht das Herz des Autos. Wenn die 610 PS und 560 Nm gemeinsame Sache machen, röhrt der schnellste Serien-Audi aller Zeiten in 3,2 Sekunden von null auf 100 km/h, ehe er sich zu einer Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h aufschwingt. Der Verbrauch? Irgendwo zwischen Dichtung (12,3 Liter/Norm) und Wahrheit (24,2 Liter/Praxis).

Die erste Serie des R8 war bis zur Modellpflege eine ziemliche Herausforderung: eng, hart, laut, eckig, ruppig, zickig. Der neue R8 übt sich dagegen bis ans Limit in Verbindlichkeit. Das dokumentieren unter anderem die stark verbesserte Richtungsstabilität, der durchaus geschmeidige Federungskomfort und die niedrigeren Fahrgeräusche. Die Aufhängung legt sich nicht mehr mit jeder Längs- und Querrinne an, die Lenkung hat an Gelassenheit zugelegt, ohne an Präzision einzubüßen, das Getriebe schaltet im Performance-Modus mit noch kräftigerem Tritt ins Kreuz, die serienmäßige Keramikbremse ist ein Energievernichter allererster Güte. Dank Quattro-Antrieb und den breiteren 20-Zoll-Reifen sind Traktion und Straßenlage in keiner Situation ein Thema.

Kleinigkeiten fehlen

Der R8 V10 plus lässt sich so spielerisch leicht und schnell bewegen wie kaum ein anderer Sportwagen mit mehr als 600 PS. Der Zweisitzer lenkt willig ein, baut rasch Grip auf, bleibt bis in den Grenzbereich hinein neutral. Die Bewegung ist immer im Fluss, die Linie lässt sich per Lenkung und Gaspedal feinfühlig modulieren, größere Driftwinkel muss man durch langen Druck auf die ESC-Taste provozieren.

Was uns fehlt? Als Option das knorrige Schaltgetriebe mit der verchromten Kulisse, ein gutes Head-up-Display und das eine oder andere Assistenzsystem.

Die Preisstellung ist sehr selbstbewusst, denn auch das 540 PS starke Basismodell ist mit 165 000 Euro kein Schnäppchen. Außerdem bleibt dem ebenfalls 610 PS starken und gar nicht so viel teureren Huracán kaum noch Luft zum Atmen - nur gut, dass sich die Italiener das emotionalere Design und die aggressivere Abstimmung nicht nehmen ließen.

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Quelle:
SZ vom 08.08.2015
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