Süddeutsche Zeitung

20 Jahre ICE in Deutschland:78 Millionen Menschen mögen es schnell

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Der erste Hochgeschwindigkeitszug startete vor 20 Jahren. Heute sind die ICEs von den Schienen nicht mehr wegzudenken.

Daniela Kuhr

Weiß-rot, windschnittig und schnell. Sehr schnell. So könnte man das Geburtstagskind am besten beschreiben. An diesem Donnerstag wird der ICE 20 Jahre alt.

Es war ein kühler, windiger Sonntagmorgen, als am 2. Juni 1991 um exakt 5.53 Uhr im Bahnhof Hamburg-Altona das Ausfahrtsignal für den ersten ICE, den ICE 593 "Münchner Kindl", auf Grün sprang. Für die Bahn war das der Aufbruch ins Zeitalter der Hochgeschwindigkeit. Zehn Jahre nach den Franzosen, 27 Jahre nach den Japanern - und trotzdem eine Erfolgsgeschichte.

Im Jahr 1992 reisten zehn Millionen Menschen mit einem ICE, inzwischen sind es jährlich 78 Millionen. Täglich setzen sich mehr als 210.000 Fahrgäste in einen der mittlerweile 252 Hochgeschwindigkeitszüge der Bahn.

Dabei kostete eine Fahrt mit dem ICE von Anfang an deutlich mehr als andere Fahrten. Pro Strecke wird ein Zuschlag fällig, der vom Umfang des Zeitgewinns abhängt. Doch die Fahrgäste nehmen das in Kauf, zum Teil sicher auch notgedrungen, denn im Laufe der Jahre hat die Bahn diverse günstigere IC-Verbindungen aus dem Programm genommen.

Bahnchef Rüdiger Grube spricht von der "Generation ICE", die sich etabliert habe. Damit meint er Menschen, die die Vorzüge von schnellen Bahnverbindungen mittlerweile so sehr zu schätzen wissen, dass sie sich lieber in einen Zug setzen als ins Flugzeug.

Die Flugverbindung zwischen Frankfurt und Köln beispielsweise ist überflüssig geworden, seit der Zug zwischen beiden Hauptbahnhöfen nur noch gut eine Stunde benötigt. Auch zwischen Hamburg und Berlin wurde der Linienflugverkehr eingestellt.

"Der Start der ICE-Züge war ein großer Fortschritt für den deutschen Fernverkehr", sagt Holger Krawinkel, Bahn-Experte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Und allen Pannen zum Trotz, die es zuletzt gegeben hat: "Die Qualität im Fernverkehr hat sich damit deutlich verbessert", sagt der Verbraucherschützer.

Er ist allerdings überzeugt, dass noch weitaus mehr Menschen vom Auto oder Flugzeug wegzubringen wären, "wenn es nur mehr attraktive Verbindungen gäbe". So könne man beispielsweise heute von Paris nach Marseille in weniger als drei Stunden fahren.

"Für etwa die gleiche Strecke von Berlin nach Wien aber benötige ich die dreifache Zeit", klagt Krawinkel. Seiner Ansicht nach sollte man deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, um Hochgeschwindigkeitsstrecken zu bauen: "Es wäre gut investiertes Geld."

Das sieht nicht jeder so. Seit der Bahnreform seien gut 20 Milliarden Euro für die Infrastruktur des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ausgegeben worden, sagt Michael Holzhey von der Berliner Beratungsfirma KCW. "Wäre das Geld wenigstens in den vergangenen zehn Jahren genutzt worden, um Strecken für den Güterverkehr auszubauen, wäre das volkswirtschaftlich und umweltpolitisch sinnvoller gewesen."

Er hält auch die Idee des "immer schneller" für verfehlt. "In einem Land wie Deutschland mit vielen mittelgroßen Städten lohnen sich Geschwindigkeiten von 300 Stundenkilometern gar nicht", sagt Holzhey. "Wer hier rasen will, rast womöglich vorbei."

Auch bei der Bahn selbst denkt man inzwischen um. Der ICx, die nächste Generation von Hochgeschwindigkeitszügen, die zum Fahrplanwechsel 2016 auf's Gleis kommen soll, wird nur noch höchstens 230 bis 280 Stundenkilometer erreichen.

Viel wichtiger als die Maximalgeschwindigkeit sei die Durchschnittsgeschwindigkeit, sagt Personenverkehrs-Vorstand Ulrich Homburg. Denn sie bestimme letztlich, wie lange eine Reise dauere. Zudem verbrauchen die neuen Züge deutlich weniger Energie.

Die Bahn glaubt aber fest an die Zukunft des Hochgeschwindigkeitsverkehrs. "So wie Deutschland mit dem ICE in den letzten 20 Jahren zusammengerückt ist, wird dies im europäischen Maßstab in den kommenden 20 Jahren der Fall sein", zitiert die Nachrichtenagentur dapd Bahnchef Grube.

Schon jetzt fahren die ICE-Züge in diverse Nachbarländer, etwa nach Paris, in die Schweiz oder auch nach Wien. Das Angebot soll deutlich ausgebaut werden. So hofft die Bahn nach wie vor, von 2013 an dreimal täglich nach London fahren zu dürfen.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2011
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