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Wissenschaft:Die Forschung ist zu viel auf Sendung

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Bundesministerin Karliczek will, dass Wissenschaftler noch mehr kommunizieren. Dabei ist die Gesellschaft bereits überflutet mit halbgaren und übertriebenen Mitteilungen aus der Welt der Forschung.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek hat am Donnerstag eine neue, seit Monaten mit Spannung erwartete Strategie zur Wissenschaftskommunikation vorgelegt. Und kurz gesagt: Das Papier ist eine Enttäuschung. Die Ministerin macht den gleichen Fehler, den eine Initiative deutscher Forschungsverbünde schon vor 20 Jahren gemacht hat: zu glauben, dass bloße Sichtbarkeit ausreicht, um mehr Anerkennung für die Wissenschaft zu gewinnen. Public Understanding of Sciences and Humanities, PUSH hieß die Initiative damals. Wie jetzt bei Karliczek sollten Anreize geschaffen werden, damit die Forschung sich häufiger und besser erklärt. Diskussionsplattformen wurden geschaffen, Geld floss. Aber ja, PUSH hat viel bewirkt. Vor allem hat es Probleme erzeugt.

Eines davon heißt Masse. Tatsächlich kommuniziert die Forschung heute, was das Zeug hält. Internet und Emailpostfächer werden mit echten wie vermeintlichen Erkenntnissen aus der Forschung geflutet und zwar täglich. Verarbeiten kann das schon jetzt keiner mehr. Es würde sich auch nicht lohnen, denn das meiste davon ist verzichtbar. Und das ist das zweite, größere Problem, die Qualität. Man möchte zwar meinen, auch in der Kommunikation sei die Wissenschaft dem Prinzip einer nüchternen, kritischen Selbstbetrachtung verpflichtet. De facto handelt es sich bei der Kommunikation von Forschung aber oft um Reklame - inklusive der Übertreibungen und Anmaßungen, die in der Werbebranche üblich sind. Nur selten geht das so weit wie in Heidelberg, als ein Mediziner einen Test zur Früherkennung von Brustkrebs mit großem PR-Aufwand als Weltsensation präsentierte. Dass der Bluttest nichts taugte, hat die ehrwürdige Uniklinik Heidelbergs in eine tiefe Krise gestürzt. Aber selbst der Sonderfall zeigt, wie wichtig Ehrlichkeit ist, wenn man kommuniziert.

Man hätte sich daher gewünscht, dass Karliczek neue Maßstäbe setzt, dass sie die Forschung von der Masse zu einer neuen Klasse der Kommunikation pusht. Selbstkritisch, angemessen, reflektiert. Stattdessen will die Ministerin mehr vom selben. Und sie schafft einen neuen Anreiz, der für die Forschung besonders gefährlich werden kann. Fördergelder ihres Hauses sollen explizit an die Bereitschaft geknüpft werden, sich öffentlich zu präsentieren, den Dialog zu suchen, Bürgern nahe zu kommen. Jeder Forscher soll ein bisschen Hirschhausen sein, sonst gibt es kein Geld aus Berlin. Komplexe Projekte mit hohem theoretischen Anspruch werden es da schwerer mit der Förderung haben als lebensnahe Forschung, die sich hübsch erklären lässt. Zudem bestraft man wenig kommunikationsbegabte Forscher - unabhängig von ihren wissenschaftlichen Fähigkeiten. Dass dies der Sache nicht dient, sollte klar sein.

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