Süddeutsche Zeitung

Astrobiologie:Bakterien überleben jahrelang im All

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Ein Experiment auf der Raumstation ISS führte Forscher zu dieser Erkenntnis - und könnte nun auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens helfen.

Von Julian Rodemann

Es ist eine der größten offenen Fragen überhaupt, wenn nicht sogar die größte: Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Forscher rätseln immer noch, wie sich vor etwa vier Milliarden Jahren in vergleichsweise kurzer Zeit aus toter Materie lebende Organismen entwickelt haben. Etliche Theorien wurden bereits durchdiskutiert, denkbar sind verschiedene chemische Reaktionen im Urmeer des blauen Planeten. Doch bis heute haben Wissenschaftler keine der Theorien bestätigt. Wie alles anfing, bleibt ein Mysterium.

Besonders das Tempo der frühen Evolution gibt Forschern Rätsel auf. In verhältnismäßig kurzer Zeit entwickelten sich relativ komplexe Organismen. Schon seit mehr als 100 Jahren kursiert deshalb die Vermutung, dass frühe Lebensformen gar nicht auf der Erde, sondern auf einem anderen Planeten entstanden und durchs All, etwa an Bord von Meteoriten oder Asteroiden, auf die Erde gelangt sind. Demnach wären Menschen also Nachkommen außerirdischer Mikroorganismen.

Ist das Leben vor Urzeiten an Bord von Meteoriten auf die Erde gestürzt?

Allerdings bleibt auch diese sogenannte Panspermie-Theorie nichts weiter als eine Vermutung. Selbst wenn das Leben auf ungeklärte Art auf fernen Himmelskörpern entstand, müsste es auf seiner Reise zur Erde über einen langen Zeitraum hinweg das Vakuum, die Temperaturschwankungen und die kosmische Strahlenbelastung im All ausgehalten haben. Neue Ergebnisse von Experimenten auf der Internationalen Raumstation ISS verschaffen der alten Vermutung des bakteriellen Planeten-Hoppings nun allerdings frischen Aufwind: Japanische Forscher um den Astrobiologen Akihiko Yamagishi haben herausgefunden, dass bestimmte Bakterien bis zu acht Jahre lang im Weltall überleben könnten. Ihre Studie ist jetzt im Fachmagazin Frontiers in Microbiology erschienen.

Yamagishi hatte Bakterien der Gattung Deinococcus etwa zwölf Kilometer über der Erdoberfläche mithilfe von Forschungsballons eingefangen. Dieses Bakterium ist für seine Robustheit bekannt; es überlebt Gammastrahlung, die 3000 Mal so stark ist wie die für Menschen tödliche Dosis. Dass die Deinokokken in solchen Höhen vorkommen, brachte Yamagishi und Kollegen auf eine Idee: Die Wissenschaftler ließen unterschiedlich große Kolonien des Bakteriums an die Außenwände der ISS anbringen und untersuchten sie nach ein, zwei und drei Jahren.

Die Mikroben schlugen sich erstaunlich gut in der scheinbar lebensfeindlichen Umgebung: Kolonien mit einer Dicke von mehr als 0,5 Millimetern überlebten drei Jahre lang. Die Bakterien an der Oberfläche waren zwar abgestorben, die inneren Schichten jedoch wohlauf. Durch kosmische Strahlung zerstörtes DNA-Material hatten die Deinokokken effektiv repariert.

"Strahlenresistente Bakterien könnten eine Reise vom Mars zur Erde überleben"

Yamagishis Team hat berechnet, dass solche Kolonien bis zu 45 Jahre lang an der Außenseite der ISS überleben könnten. Frei durchs All schwebend, gibt Yamagishi den Bakterien immerhin noch acht Jahre. "Strahlenresistente Bakterien könnten eine Reise von der Erde zum Mars oder vom Mars zur Erde überleben", sagt Yamagishi. In der Studie schreibt er: "Unsere Ergebnisse stützen die These, dass mikrobische Zellaggregate als Arche für die interplanetare Reise von Mikroben dienten."

Bekannt war, dass Mikroben in Hohlräumen von Himmelskörpern im Weltall überleben können. Yamagishis Forschung zufolge ist das aber gar nicht nötig - im Verbund schützen sich die Bakterien gegenseitig. Wie die Mikroben jedoch einen Planeten verlassen konnten, bleibt offen. Yamagishi mutmaßt, die winzigen Organismen könnten die Gravitation mithilfe elektrischer Felder, wie sie bei Gewittern entstehen, überwunden haben.

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