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Aufforstung:Wie viel können Wälder zum Klimaschutz beitragen?

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Indem Wälder besser geschützt werden, ließen sich Hunderte Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, haben Forscher ermittelt. Doch Baumplantagen sind nicht die Lösung.

Von Christoph von Eichhorn

Der Schutz von bestehenden Wäldern und die Aufforstung von geeigneten Gebieten könnten rund 226 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden und auf diese Weise zum Klimaschutz beitragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine rund 200-köpfige Forschergruppe um Lidong Mo von der ETH Zürich im Fachjournal Nature.

Solange Wälder intakt bleiben, können sie Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und so Treibhausgas-Emissionen ausgleichen. Jedoch ist bereits die Hälfte der bewaldeten Fläche auf der Erde aufgrund von menschlichen Aktivitäten verloren gegangen, etwa durch Abholzung für Siedlungen oder Weideland.

Mithilfe von Satellitendaten und Vor-Ort-Messungen der Biomasse von Bäumen, Wurzeln, Totholz und Böden ermittelte das Team um Mo zunächst den bisherigen Verlust an Kohlenstoff aufgrund von Abholzung: Die Wissenschaftler schätzen, dass Wälder heute 328 Gigatonnen weniger Kohlenstoff speichern, als dies ohne den Einfluss des Menschen der Fall wäre.

Der Effekt würde sich frühestens in 100 Jahren zeigen

Doch wie viel davon lässt sich wiederherstellen? Schließlich leben in manchen dieser entwaldeten Regionen heute Menschen. Noch deutlich mehr Fläche wird gebraucht, um Nahrungspflanzen und Futtermittel anzubauen oder Tiere weiden zu lassen. Jedoch gebe es auch große Gebiete weitgehend ohne Siedlungen oder Landwirtschaft, betonen die Autoren der Studie. Würde man allein die Wälder auf solchen Flächen mit "niedrigem menschlichen Fußabdruck" wiederherstellen, könnte das der Atmosphäre 226 Milliarden Tonnen Kohlenstoff entziehen. Das entspricht 829 Milliarden Tonnen CO₂, etwa der 20-fache globale Jahresausstoß des Treibhausgases.

Rund 60 Prozent dieses Potenzials könnten ausgeschöpft werden, indem bestehende Wälder, die sich derzeit in schlechtem Zustand befinden, besser geschützt würden, so die Forscher. Besonders viel Kohlenstoff speichern Urwälder, etwa weil in diesen die Artenvielfalt besonders hoch ist. Würden sich mehr Wälder diesem Zustand wieder annähern, könnten sie deutlich mehr CO₂ speichern als derzeit und so eine höhere Wirkung für den Klimaschutz entfalten. Die übrigen 40 Prozent des Potenzials könnten erreicht werden, indem geeignete, aber bislang wenig genutzte entwaldete Landstriche wieder aufgeforstet werden. Dabei gehe es nicht um "massenhafte Baumplantagen", betont ETH-Professor Thomas Crowther in einer Mitteilung. Vielmehr müssten Gemeinden und Landwirte vor Ort unterstützt werden, um den Artenreichtum in Wäldern zu steigern. "Nur dann bekommen wir einen langfristigen Kohlenstoff-Speicher als Nebenprodukt."

Zugleich dürfe die Wiederherstellung von Wäldern kein Ersatz dafür sein, die fossilen CO₂-Emissionen zu senken, betonen die Forscher. Steigen die Emissionen weiter, könnten anhaltende Dürren, Brände und Extremtemperaturen die Wälder selbst bedrohen und ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffabsorption mindern.

"Aufforstung von brachliegendem, waldfähigem Land ist ökologisch absolut wünschenswert", sagt Christian Körner, emeritierter Botanik-Professor an der Universität Basel, der an der aktuellen Arbeit nicht beteiligt war. "Die Wirkung als Kohlenstoff-Speicher folgt dabei aber sehr stark verzögert." Die in der Studie genannten Größenordnungen seien wohl erst in 100 bis 200 Jahren erreichbar, "wenn man sofort überall gleichzeitig beginnen würde", so Körner. Die Abholzung alter Wälder zu verhindern, "hat hingegen sofortige Wirkung".

Mit Material vom Science Media Center

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